Wien - Anja Lais bringt vieles unter einen Hut: An diesem lauen Sommermorgen steckt sie in einem schwarzen Sommermantel und einer weiten Military-Hose. Eine etwas ungewöhnliche Kombination, in der sie sich aber sichtlich wohl fühlt. "Das Ungewöhnliche", sagt die Schauspielerin, interessiere sie weit mehr als "das Gewöhnliche". Um sodann in einem Atemzug von ihrer Kölner Gestaltung der Maria Stuart, ihren Auftritten in einem Rockmusical, den Anfängen im Berliner Grips-Theater und von Lieder- und Leseabenden zu erzählen: "Ich kann das eine vom anderen nicht trennen. Das, was ich in einer Rolle gemacht habe, nehme ich mit in eine andere." Ein Grund, warum sie in ihrer Kölner Maria Stuart auch ein Quäntchen Humor entdeckte, warum ihre Erna aus Schnitzlers Das weite Land auch etwas mit einer der Kellnerinnen aus der Berliner "Bar jeder Vernunft" zu tun hatte, Schillers Lady Milford mit Büchners Lucille. "Ich riskiere, peinlich zu sein!", sagt Lais und schiebt keck ein berlinerisches "Nischt?" hinterher. Etwas Ungewöhnliches nehmen auch KritikerInnen und ZuschauerInnen an Anja Lais Bühnenkünsten wahr. "Imponierend klar und überzeugend" charakterisierte das stimmführende Szenemagazin Theater heute die Leistung der Schauspielerin. Seit einigen Jahren schon spielt die Berlinerin (Jahrgang 1968) Hauptrolle über Hauptrolle. Vorwiegend an den Bühnen der Stadt Köln unter der Regie Günter Krämers, seit kurzem erstmals auch an der Wiener Josefstadt. Anja Lais' Fräulein Julie aus Strindbergs gleichnamigem Spiel wurde gerade für den Nestroy 2001 vornominiert. Ab Freitag ist Lais wieder als eine der Almas in Joshua Sobols Polydrama Alma - A Show Biz ans Ende zu sehen. Im ehemaligen Sanatorium Purkersdorf, einer Jugendstilruine, die seit 1996 sommerliche Theatergänger in Alma Mahler-Werfels und Paulus Mankers Bann zieht, spürt Lais allerdings weniger dem Männeropfer Alma nach: "Mich interessiert vor allem die böse, erotische Alma. Der Druck, der auf dieser Frau lastete, ist ja nur eine Seite der Geschichte. Ich habe in den letzten Jahren viele Frauengestalten gespielt, die sterben, hingerichtet werden oder debil sind. Dabei habe ich gelernt, in ihnen das starke Element zu suchen." Wie sie dagegen mit der "starken" Persönlichkeit Manker zurechtkomme? "Ich kann mit ihm." Anja Lais "kann" mit vielen Regisseuren: vor allem natürlich mit Günter Krämer, aber auch mit dem Geometrie-Künstler Frank Patrick Steckel oder dem jungen Castorf-Schüler Sebastian Hartmann, der in der nächsten Saison auch an der Wiener Burg werken darf. "Anfangs war es fast ein Schock, mit Hartmann zu proben. Das Tolle an ihm aber ist, dass er so viel infrage stellt." Ein Zug, den Lais mit dem jungen Regiekünstler wohl gemein hat. Ihr Vertrag in Köln läuft demnächst aus: "Eigentlich möchte ich dann wieder ganz andere Sachen machen!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 7. 2001)