Zum Mekka für Sammler wie Design-Freaks avanciert vom 25. bis 27. Juli die Londoner King Street. Mit dem Archiv Bianchini Fériers streut Christie's dann 200 Jahre Textildesign unters Publikum. Die Sammlung umfasst mehr als 190 Musterbücher, originale Aquarellentwürfe sowie insgesamt etwa 25.000 Stoffmuster geschaffen von renommierten Künstlern für ebensolche Modehäuser aus der Zeit von 1889 bis 1964. Das 1888 von Fran¸cois Atuyer, Charles Bianchini und dem Finanzier Fran¸cois Férier gegründete Unternehmen hatte sich im frühen 20. Jahrhundert bereits bestens etabliert und unterhielt geschäftliche Beziehungen zu nahezu allen klingenden Namen der Haut-Couture: für Poiret, Lanvin und Patou kreierte man genauso exklusive Stoffe wie für Paco Rabanne oder Nina Ricci. Als dynamischer Geschäftsmann konnte Bianchini 1912 den in Paris ansässigen Maler Raoul Dufy (1877 - 1953), der schon für Poiret entworfen hatte, als künstlerischen Direktor gewinnen. Fünfzehn Jahre lang entwarf Dufy an die 4000 Dekore, deren Urheberschaft -bis auf eine Ausstellung in den 70er Jahren - lange Zeit im Verborgenen blieb. Etwa 500 dieser Entwürfe werden nun versteigert, darunter eine Serie von abstrakten Dekoren auf schwarzem Grund (zwischen EURO 500-2000), sein Design mit Palmen und exotischen Blumen für ein großes Tuch oder schlichte Margeriten vor blauem Hintergrund für jeweils taxierte EURO 2500-3000. Vorerst bedruckte Bianchini Seide und ergänzte sein Programm ab 1910 um eine bedruckte Baumwoll-Linie, die man unter dem Namen Toiles de Tournon vermarktete und für Möbelbezüge sowie Bademode Anwendung fand. Aus der früheren Phase des Unternehmens werden umfangreiche Musterbücher, mit Tapezierstoffen und Teppichdesigns des 18. Jahrhunderts und klassische Blumenzeichnungen des 19. Jahrhunderts geboten (EURO 1400-3300), etwa von Jacques Martin, dem einzig überlieferten Künstler dieser Zeit. Die Entwürfe zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren deutlich dem manierierten, üppigen Jugendstil verpflichtet. Die 20er Jahre wurden vom avantgardistischen Art Nouveau dominiert. Zu bekannten Designern zählten Léonide Markovnicoff und Claire Vasarely, deren Zeichnungen zwischen EURO 250 und EURO 850 kosten. In den 30er Jahren sollte dann die charakteristische Art-Deco-Ornamentik und erste Abstraktionen überwiegen, die zu einem guten Teil von der bildenden Kunst beeinflusst wurde. Designs Jacques-Henri Lartigue oder Madeleine Lagrange können Anlehnungen an das Werk der Konstruktivistin Sonia Delaunay nicht verhehlen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Zwischenkriegsjahre überstand Bianchini, indem der Pret-à-Porter-Handel bedient und das Programm um Krawattendesigns ergänzt wurde. In den Nachkriegsjahren wurden zusätzlich Schals sowie Tücher für Herm`es oder Jacques Fath hergestellt. In den 50ern tauchen hier sogar von den Surrealisten beeinflusste Entwürfe auf, etwa der im Stil Yves Tanguys für geschätzte EURO 490 bis 980; in den 60ern beginnt der psychedelische Stil zu dominieren, wie beispielsweise ein Entwurf für Dior zeigt (EURO 410-820). Während der 60er Jahre sollte Bianchini Lieferant renommierter Modehäuser wie Givenchy, Cardin, Chanel, Dior, Laroche, Nina Ricci, Yves Saint-Laurents und Sherrer werden. Anfang der 90er Jahre wurde Bianchini Teil der Tissages Bauman-Gruppe. Damals wurde bereits ein Teil des Archivs veräußert, etwa Dufys Design für Les Patineurs, nun in der Sammlung des Victoria & Albert Museums. Olga Kronsteiner