Solothurn - Die österreichische Autorin Anna Mitgutsch hat am Montag in Solothurn
den mit 20.000 Franken (13.214 Euro/181.834 S) dotierten Solothurner Literaturpreis
erhalten. Die 1948 in Linz geborene, heute in Linz und Boston lebende Autorin wurde
damit für ihr erzählerisches Gesamtwerk ausgezeichnet. Mitgutsch gestalte in ihrem
erzählerischen Werk "auf thematisch ungeheuer vielfältige Weise existenzielle
Fragestellungen des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft", heißt es in der
Jurybegründung - "mit lapidarer Sprachkraft und souveräner Kompositionskunst".
Reflexion
Anna Mitgutsch - so der Jury-Vorsitzende Hans Ulrich Probst in seiner Laudatio -
"bewegt sich immer an den Schnittstellen von politischem und privatem Geschehen
und reflektiert die gegenseitigen Bedingtheiten". Das zeigte sich bereits in ihrem
ersten Roman "Die Züchtigung" (1985), in dem die Ich-Erzählerin Vera beschreibt, wie
sie von ihrer in der Nazizeit aufgewachsenen Mutter mit brachialer und psychischer
Härte zu Anstand und Disziplin erzogen wurde. Mitgutsch führe dies nicht als
individuelles Fehlverhalten vor, sondern als Ausfluss der brutalisierenden
Gewaltherrschaft Hitlers, meinte der Laudator.
Lob für "Haus der Kindheit"
Nicht minder aufwühlend ist Mitgutschs dritter Roman "Ausgrenzung" (1989), in dem
ein als "autistisch" etikettiertes Kind und seine Mutter Ignoranz, Spießertum und
Aggression erfahren. Das vorläufige Meisterwerk der Autorin aber ist laut Jury der
letztes Jahr erschienene Roman "Haus der Kindheit". Erzählt wird von einem Mann,
der im amerikanischen Exil aufwächst, immer mit dem Foto des enteigneten Hauses
seiner jüdischen Familie als Verheißung vor Augen. Die Rückkehr nach Österreich
freilich erweist sich als zutiefst verstörend. (APA)