Sorgen haben die Leute. Wirklich gut, dass ich nicht zu den katholischen Männern zähle, deren mutige Bewegung wieder einmal von den Bischöfen ganz besonders unsanft gestoppt wurde. Mein Frust wäre grenzenlos.

Ist ja wirklich ein Gefrett mit dem hohen Klerus. Immer nur die Bibel. Und wo bleibt das Leben? Und wo vor allem die Visionen?

Zwei holde Bräute vor dem Traualtar, beide in unschuldiges Weiß gekleidet, das Haar keusch geziert mit Schleier und Myrtenkranz, - wen ein solcher Anblick kalt lässt, dem ist wohl nur schwer zu helfen.

Und wenn dann die beiden Fräulein hold errötend das Jawort hauchen und die Ringe wechseln, würden mir, wäre ich ein Brautvater, ganz sicher die Zehren der Rührung über meine vor Erregung glühenden Wangen perlen.

Auch die vom Schluchzen der glücklichen Mütter und von Franz Schuberts Ave Maria untermalte Trauung zweier ansehnlicher Jünglinge in Frack, mit putzigem Blumensträußchen am Revers, könnte für jeden geistlichen Herrn eigentlich eine besonders erhebende Zeremonie sein.

Für die bewegungsgehemmten katholischen Männer wird es diesbezüglich bis auf weiteres wohl beim Träumen bleiben. Sie haben meine Anteilnahme. Wenn diese nicht ganz so warm ausfällt, wie es der aktuelle Anlass erfordert, ersuche ich um Nachsicht. Ich bin von Geburt an lesbisch veranlagt - sofern man darunter die Anfälligkeit gegenüber weiblichen Reizen versteht.

Im Laufe der Jahrzehnte legt sich diese Veranlagung natürlich etwas - gemäß einem weisen Wiener Lied, in dem es heißt: "Wenn man älter wird, etwas kälter wird, bleibt allein, nur der Wein."

Und für diese Veranlagung hat die Öffentlichkeit zu meinem persönlichen Kummer so gut wie gar kein Verständnis. Das finde ich ungerecht. Wo finde ich als bekennender Alkoholiker moralischen Rückhalt?

Wenn ich will, kann ich zu den Anonymen Alkolholikern gehen, wo mir ein junger Sozialpraktikant im Verein mit einem idealistischen Arzt das Trinken abgewöhnen will.

Ich will es mir aber gar nicht abgewöhnen. Ich bin doch nicht wahnsinnig. Etwas, was ich seit Kindesbeinen mühsam kultiviert habe, werde ich mir jetzt doch nicht abgewöhnen.

Ganz im Gegenteil, jetzt in meinen, sagen wir höflich: reifen Jahren will ich die Früchte meiner Jahrzehnte langen Bemühungen genießen. Ich würde sagen, in dieser Hinsicht brechen jetzt vielleicht erst meine Meisterjahre an. Denn saufen kann bald jemand, trinken ist eine Kunst.

Überdies habe ich in meinem Laster einen neuen, ganz lieben Gefährten. Leider lebt er in weiter Entfernung, aber wir sind schnell ganz enge Freunde geworden. Erst vor kurzem. In Aix-en-Provence.

Ich saß in einem Café mit einem - Sie werden es nicht erraten - Glas Rotwein in der Hand. Da machte sich ein kleiner roter Schmetterling an mich heran. Tat so, als wären wir uralte Freunde. Setzte sich zunächst auf meinen Ärmel. Zwei Flügelschläge, und er war am Rand des Glases. Gefinkelt kletterte er dessen Innenseite hinab, bis er seinen Rüssel in den Wein tauchen konnte.

Leichte Wellenschläge verrieten, dass er für ein so kleines Tierchen einen ganz guten Zug hatte. So vergingen zehn Minuten.

Allmählich begann ich mich um meinen neuen Freund zu sorgen. Wie, wenn er zu viele Promille erwischt und in den Rotwein plumpst? Also versuchte ich, seinem Suff mit einer Handbewegung Einhalt zu gebieten. Er gehorchte und flatterte auf die Lehne eines Sessels.

Dort aber verfiel er in tiefen Schlaf. Sodass ich ihn gar nicht fragen konnte, ob er den Bund fürs Leben lieber mit einer Dame oder mit einem Herrn hätte schließen mögen. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.7.2001)