Der amerikanische Faulpelz Leon Redbone und sein Album "Any Time"
,
Am populärsten ist der Mann ohne Frage bei US-Kindern im Vorschulalter. Das hat ja auch etwas, wenn ein ausgewachsener Mittfünfziger in der Fernsehshow
Between The Lions
auf einem Dinosaurier einreitet und heiter-gelassen das Alphabet heruntersingt. Gelernt ist eben gelernt. Ohne Zweifel beliebter noch ist Leon Redbone allerdings bei Biertrinkern mit seiner gleich die ganze Welt in Zweifel ziehenden Werbespot-Hymne: "This Bud's for you?!" Und dass der Lieblingssänger von Bob Dylan nebenher auch noch regelmäßig in
Saturday Night Live
und der
Tonight Show
aufgetreten ist, bevor er die Titelsongs zu den Fernsehserien
Mr. Belvedere
und
Harry and the Hendersons
komponierte, verweist sowieso auf eines. Der auf dem Sender ABC in
Life Goes On
obendrein einen freundlich grummelnden, Gitarre spielenden Lebensberater gebende Leon Redbone, der jüngst aus alten eigenen Songs für Mikhail Baryshnikov auch noch eine Ballettmusik zusammenschusterte (
Paper Tiger
), kann es mit der "künstlerischen Glaubwürdigkeit" nicht so genau nehmen.
"Ich betrachte solche ,Karriereschritte' eher als Hindernisse, nicht so sehr als Möglichkeiten. Wenn ich sie als Chancen betrachten würde, wäre das ein Alarmsignal dafür, dass ich das Geschäft zu ernst nehmen würde. Mich selbst ernst nehmen, das ist ein erster zarter Kuss des Todes! Meistens fängt das Ganze damit an, dass mich jemand anruft und eine Idee hat. Von meinem Ende der Leitung werden solche Initiativen eher selten gesetzt."
Leon Redbone, über dessen Privatleben im Übrigen so gut wie nichts bekannt ist, startete seine auf jeden Fall beabsichtigt verschlurfte Karriere Mitte der 70er-Jahre mit dem heute legendären Album
On the Track
. Legendär deshalb, weil mit dieser Arbeit eine bis heute unveränderte künstlerische Sicht festgelegt wurde. Der faule Willie, dem die Welt einige Eigenkompositionen wie die einschlägig betitelten Songs
So, Relax
oder
Stealaway Blues
verdankt oder das von Dean Martin und gerade auch von Bob Dylan für den
Sopranos
-Soundtrack gecoverte
Return To Me
, Leon Redbone interpretiert mit Vorliebe Lieder aus dem großen amerikanischen Songbook der 20er- und 30er-Jahre, live auf der Bühne übrigens vorzugsweise im Lehnstuhl ...
Mit vernuschelter Grundelstimme, Schrummgitarre, Klavier, Banjo(!!!), ein wenig Gehupe und einem Schlagzeug, das man nicht fest hauen darf, wurden und werden hier Vaudeville-, Ragtime-, Blues-Klassiker aus der Feder von Jelly Roll Morton, Jimmie Ro(d)gers (mit und ohne "d"), Fats Waller oder Irving Berlin gecovert, die nicht nur heiter-melancholisch von längst vergangenen Zeiten künden. Dieser Pop mit Patina hilft auch ideal zu vergessen, dass man sich heutzutage bei allem dauernd so beeilen sollte. Überhaupt, solche Gemeinheiten werden ja heute gar nicht mehr gebaut: "Mit dir kann ich nichts anfangen, deine Füße sind zu groß!", oder: "Von meiner Biskuit-Rolle kriegst du kein einziges Stück!" Nur sieben Jahre hat Leon für sein neues Album,
Any Time
, gebraucht. Bitte, das liegt drei Jahre unter seinem angepeilten Veröffentlichungsschnitt!
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 7. 2001)
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