Wien - Besonders gern versteckt er sich unter den Steinplatten, die ins Wasser ragen. Denn Brillenkaiman Florian, der Alligator aus dem Donaukanal, wird nervös, wenn Besucher an die Scheibe seines Terrariums klopfen. Bis er sich aber daran gewöhnt hat, muss das Tier aus Südamerika sowieso wieder umsiedeln. Im Schönbrunner Tiergarten kann er nicht bleiben, weil es dort keine Kaimankollegen gibt. Artverwandte Krokodile würden ihn bloß als Frühstückshappen schätzen. "Einfach irgendwo in Südamerika aussetzen kommt nicht in Frage, das würde der Kaiman erst recht nicht überleben," erklärt Dagmar Schratter, stellvertretende Direktorin in Schönbrunn. Also muss ein neues Heim her: Die Suche funktioniert über spezielle Listen der europa- und weltweit organisierten "Association for Zoos and Aquaria". So kann Schratter gemeinsam mit Florians Leibzoologen, Ekkehard Wolff, herausfinden, welcher Zoo Kaimane hält und bereit wäre, ein Tier aufzunehmen. Känguruhs gesucht Die größeren Zoos in Österreich nützen diese Art Tauschbörse, die kein kommerzieller Tierhandel ist. Auch der Schönbrunner Tiergarten lässt vermerken, wenn er ein bestimmtes Tier übernehmen möchte. Aktuell werden Känguruhs gesucht, die ab Frühjahr 2002 in Wien gezüchtet werden sollen. Der Tausch ist aber nur eine der Möglichkeiten, Tiere für den Zoo zu bekommen. Es heißt immer wieder, frei lebende Tiere würden von skrupellosen Jägern gefangen und müssten - in Käfige gesteckt - ihr Dasein zur Publikumsgaudi fristen. Solche traurigen Fälle gibt es immer noch. Dennoch: "Schon seit den 70er Jahren dürfen Tiere aus freier Wildbahn nicht in Zoos gebracht werden," beruhigt Zoologin Schratter und verweist auf strenge Qualitätskriterien. Die meisten Tiere werden schon im Zoo geboren, "weil es eigene Zuchtprogramme für Tiere gibt, die fast ausgestrorben sind oder jene, die einen bedrohten Lebensraum haben." Ein international tätiger Zuchtkoordinator suche den passenden Zoo aus, in dem eine bestimmte Tierart gezüchtet werden soll. Besonders wird darauf geachtet, dass keine Inzucht entsteht. Zu dem werden Karteien angelegt, in denen Bestände, Paarungen und Geburten, Todesfälle von Affen, Bisons, Krokodile, Vögel und so weiter aufgelistet werden. Die Kartei wird zentral im amerikanischen Minnesota verwaltet. Fortbestand von insgesamt 30 Tierarten Der Tiergarten Schönbrunn hat es etwa übernommen, für den Fortbestand des einzig überlebenden Wildpferds - das kleine Przevalskipferd -zu sorgen. Nun wurde das Pferd in der Mongolei - aus Wiener Zuchtbestand - wieder angesiedelt. Berberaffe, Waldrapp, Krauskopfpelikan, Humboldpinguin - für den Fortbestand von insgesamt 30 Tierarten wird in Wien gesorgt. Um einen Beitrag zur Erhaltung der eukalyptusliebenden Koalabären in der freien Wildbahn zu leisten, zahlt man seitens des Tiergartens sogar 10.000 Dollar jährlich an die "Australian Koala Foundation". Dafür dürfen die Wiener eine eigene Zucht der possierlichen Bärchen aufbauen - das eigens errichtete Koalahaus wird nächstes Jahr eröffnet. (DER STANDARD; Print, 7.8.2001)