Wien - Die sozialdemokratischen Gewerkschafter dürften auf einen Boykott der Organe des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger nun doch verzichten. Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel hat laut einem Bericht der "Presse" die AK-Fraktionen schriftlich aufgefordert, bis 31. August die Kandidaten für das neue Führungsgremium, den Verwaltungsrat, bekanntzugeben. Offiziell hieß es zuletzt, die Entscheidung über eine Entsendung falle erst gegen Ende August. Die AK ist für die Bestellung von sechs der sieben Verwaltungsrats-Mitglieder auf Arbeitnehmer-Seite zuständig. Vier Sitze stehen dabei den Sozialdemokraten zu, einer den christlichen Gewerkschaften und einer den Freiheitlichen. Den siebenten Posten darf die VP-dominierte Beamtengewerkschaft vergeben. Speed killed Hintergrund der Boykott-Pläne war die umstrittene Reform des Hauptverbands, die von der Koalition vor der Sommerpause im Eiltempo durchgezogen worden war. Diese stößt bei den Sozialdemokraten aus diversen Gründen auf Widerstand. Für Empörung sorgt u.a. eine Unvereinbarkeitsregelung, die Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft und der Kammern von den Führungsposten ausschließt - für die Arbeitnehmervertreter eine "Lex Sallmutter". Ebenfalls wird kritisiert, dass die Besetzung des Verwaltungsrats künftig paritätisch erfolgt, also Arbeitnehmer- und Dienstgeberseite jeweils mit sieben Personen vertreten sind. Damit einher geht auch, dass ÖVP (7) und FPÖ (2) eine satte 9:5-Mehrheit gegenüber den Sozialdemokraten erhalten. Dritter Hauptkritikpunkt ist, dass die neue Geschäftsführung, in der keine Versicherungsvertreter mehr repräsentiert sein müssen, stärkere Machtbefugnisse erhält. Verzicht immer unwahrscheinlicher Dies alles hatte Anfang Juli Überlegungen laut werden lassen, einen Boykott der Organe zu starten. Allerdings war die Begeisterung für diese Idee in letzter Zeit abgeflaut. In Arbeitnehmer-Kreisen galt ein Verzicht auf die Entsendung zuletzt als unwahrscheinlich. Ein weiteres Indiz in diese Richtung war ein Vorstoß von SP-Chef Alfred Gusenbauer, der einen Gesundheitspakt mit der Wirtschaftskammer zur Bedingung für eine Beschickung der Hauptverbands-Organe machte. Dass dieser zu Stande kommt, ist so gut wie sicher. Vermutet wird, dass in dem gemeinsamen Papier u.a. ein Bekenntnis zur Pflichtversicherung sowie zur Selbstverwaltung enthalten sein wird, was auch den Positionen der Wirtschaft entspricht. Keine Spitzenpositionen mehr Unangenehm für die sozialdemokratischen Gewerkschafter bei der Besetzung ist, dass viele Funktionäre durch die Unvereinbarkeitsregelungen nicht mehr für Spitzenpositionen im Hauptverband in Frage kommen. Nach Ansicht der Arbeiterkammer sind die Vorsitzenden der Teilgewerkschaften, sowie deren Stellvertreter und die jeweiligen Leitenden Sekretäre ausgeschlossen. Ebenso können die Obmänner der einzelnen Träger nicht mehr entsandt werden. Die Zeit für eine Entscheidung drängt jedenfalls schön langsam. Bis 15. September muss die Entsendung erledigt sein, der Verwaltungsrat soll bereits mit 1. Oktober seine Arbeit aufnehmen. Dann muss auch Hauptverbands-Präsident Hans Sallmutter auf Grund seiner zweiten Funktion als Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) seinen Sessel räumen. Die Forderung nach seiner Ablöse durch FP-Chefin Susanne Riess-Passer war am Beginn der Hauptverbands-Debatte gestanden. (APA)