Wien - Noch keinen ganzen Tag ist Linus alt: ein kleiner Kerl mit rotem, noch ganz zerknautschtem Gesicht. Er schläft, kein Wunder, das Zur-Welt-Kommen war nicht einfach - vier Wochen vor der Zeit, nach verfrühtem Blasensprung. Doch seine Mutter Astrid Fabian (33) hat Linus' Geburt gut überstanden: "Ein tolles Team hier", lobt sie. "Mit Ihnen als Kopf", ergänzt Michael Adam: Für den Frauenarzt und Mitgründer des Geburtshauses Nußdorf in Wien ist es selbstverständlich, dass die Frau bei der Niederkunft die Bestimmende bleibt. Auf ein anheimelndes Umfeld legen er und seine MitarbeiterInnen Wert: ockerfarben bemalte Wände und indirekte Beleuchtung statt Neonlicht und sterile Kacheln. Vor den Fenstern tiefes Grün und Heckenrosen: ein Biedermeiergarten. 1986 war Adam mit seinem "sanften" Konzept europaweit Pionier. In Österreich ist er es immer noch: Während sich die Geburtshaus-Idee zum Beispiel in Deutschland seither in 36 Gründungen niedergeschlagen hat, kämpft die Einrichtung in der Wiener Heiligenstädter Straße mehr denn je ums Überleben. Kasse zahlt nicht Grund dafür: Die Kassen zahlen zu wenig. Pro Geburt 5000 Schilling an die Hebamme und keinen Groschen mehr beträgt der Zuschuss, den die Wiener Gebietskrankenkasse dem Geburtshaus zubilligt. Für die Frauen bedeutet das: Sie müssen 37.000 S (2689 ) selbst aufbringen. Dabei komme Adam mit den 5000 Schilling Zuschuss noch gut weg, meint Jan Pazourek von der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK): "Ein Taggeld, wie es Privatspitäler bekommen, würde nur 1588 Schilling betragen", erläutert er. Das Problem sind die Paragraphen, der rechtliche Status des Geburtshauses: "Adam leitet ein Ambulatorium, keine Betten führende Krankenanstalt und kann deshalb mit uns auch nicht wie eine solche abrechnen." Verfahrene Situation 17.000 Schilling zahlt die WGKK Spitälern pro Geburt: "Das minus zehn Prozent würde uns schon reichen", kontert Adam. "Die Situation ist verfahren", diagnostiziert SPÖ-Umweltsprecherin Ulli Sima. Sie hat ihren Sohn in Nußdorf zur Welt gebracht und war begeistert, eine Lösung des Geburtshaus-Finanzierungsproblems ist ihr "eine Herzensangelegenheit". Ihr Hilfsplan: Eine parteienübergreifende Politikerinneninitiative. Sicher mitmachen will die Wiener Stadträtin Karin Landauer (FP), mit ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat und der Wiener Gemeinderätin Sigrid Pilz (Grüne) sucht man das Gespräch. Während Adam die Sache kämpferisch betrachtet: "Wenn alles nicht nützt, demonstrieren wir vor dem Hauptverband." Irene Brickner - DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 20.08.2001