Wien - "Niemals vergessen" steht auf dem Mahnmahl. Es soll an eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen erinnern. Hier, in Floridsdorf. Und Otto Froschauer will "niemals vergessen". Aber er meint das anders: Weltkrieg, Tschechen, Vertreibung und Benes-Dekrete. "Aber das gehört nicht hierher," sagt der 77-Jährige. Er wohnt hinter dem Mahnmal.

Froschauer hat eine Berghütte. Und Politik gehört ins Tal. Also nicht in Otto Froschauers "Hütte". Auf 170 Meter Seehöhe. Erster Stock. Gemeindebau. Kabinett.

"Als die Kinder 1973 ausgezogen sind, ist das Kabinett leer gewesen. Was hätt' ich damit machen sollen?", erklärt der passionierte Bergfex. Seine Hütte lässt das Herz eines jeden Bergkraxlers höher schlagen: Stockbetten mit klassisch rot-weiß-karierter Bettwäsche, Kletterseile, Haken und Helme - wie am Berg eben. Fotos an der Wand erinnern an die Touren des transdanubischen Hüttenwirts: Matterhorn, Mount Kenia, etliche Gipfel im Himalaja. "Mit der Pensionsabfertigung sind wir auf Weltreise gegangen."

Auf alpines Panorama muss der Mann aus den Floridsdorfer Bergen im Gemeindebau nicht verzichten: Die Tür ziert eine Matterhorn-Fototapete. Auf einem selbst geschnitzten Schild darüber ist "Froschauer Hütte - 3457 Meter über dem Meer" zu lesen.

Zu einer Hütte gehört auch Hüttenzauber. Zünftig. Darum hängt da auch die Gitarre: Herr Froschauer feiert gerne. Mit Berg- und anderen Kameraden. Dann erinnert er sich. An Abenteuer. An die Berge. Ans Sudetenland. Schon wieder Politik. Und die gehört doch nicht auf den Berg.

Die Nachbarn kennen die Hütte. Und kommen gern zum Feiern. Manchmal schnitzt man dann auch die Namen in die Tischplatte. Herr Froschauer weiß, was wo steht. Mit dem Sehen tut er sich aber schwer: Grüner Star. "Das eine Auge ist schon ganz weg." Das Skifahren lässt er sich dadurch aber trotzdem nicht nehmen. Die Universität auch nicht: Dort besucht der Hobby-Historiker Geschichte-Vorlesungen. An der Hüttenwand hängt ein dickes Stammbaumbuch.

Otto Froschauers Hütte ist mittlerweile stadtbekannt: Der ORF-Sendung "Wien heute" hat er ein Video davon geschickt. Schließlich hat man dort nach dem schönsten Platz der Stadt gesucht. Den schönsten Platz der Welt kann Herr Froschauer von hier aus auf einem Foto sehen: ein Tal im Himalaja. Mit Blick auf den Mount Everest.

Gewonnen hat aber ein anderer Hobbyfilmer. Eine Frau, die an der Alten Donau Vögel filmte. Aber enttäuscht ist der Hüttenwirt nicht: Es ging "um die Gaudi". Und außerdem: Was sollte er denn mit dem Preis - Möbelgutscheinen - machen? Die Hütte ist ja eingerichtet. Und "in meinem Haus in Tschechien sitzt wer anderer". Aber das ist schon wieder Politik. Und die gehört nicht auf den Berg. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. August 2001)