Das Werk von Albin Egger-Lienz stand bei den Nationalsozialisten hoch im Kurs: Die Machthaber requirierten von jüdischen Sammlern, was greifbar war. Nicht nur die Bilder mit bäuerlichen Motiven, sondern auch jene, die den Krieg thematisieren. Nach 1945 wurde nur ein Teil restituiert: Österreichs Museen dürften zumindest 20 Werke mit zweifelhafter Provenienz ihr Eigen nennen.

Eine Recherche von Thomas Trenkler

Es soll ein schöner Tag gewesen sein. Damals, im Herbst 1963, als der Wiener Augenarzt Rudolf Leopold mit seiner Frau Elisabeth in die Wachau, genau genommen nach Krems, fuhr, um bei einem Mann, den er nicht kannte, ein Gemälde von Albin Egger-Lienz zu erstehen. Das Geld brachte der Sammler mit, wie ihm geheißen worden war. Es dürfte sich um einen relativ hohen Betrag gehandelt haben, wohl um mehrere Hunderttausend Schilling, und Elisabeth Leopold schimpfte, weil ihr das Bild, das einen Sensendengler bei der Arbeit darstellte, nicht restlos gefiel.

Die Frage, woher der Mann das Kunstwerk habe, sei damals nicht erörtert worden. Ein Jude als Vorbesitzer sei jedenfalls mehr oder weniger auszuschließen gewesen. Denn ihm, so Rudolf Leopold, sei kein jüdischer Sammler von Werken des Osttiroler Malers bekannt gewesen: "Egger-Lienz hat nicht dem durchschnittlichen Geschmack von jüdischen Sammlern entsprochen, sie empfanden ihn als zu bäuerlich und zu derb."

Diese Aussage tätigte der Augenarzt, der die Meinung vertritt, das Gemälde im guten Glauben erworben zu haben, am 2. Mai dieses Jahres im Zuge eines Prozesses, den Vera Gara, die Tochter des Wiener Salamifabrikanten Moric Pick, gegen ihn und die Stiftung Leopold angestrengt hatte: Die kanadische Staatsbürgerin begehrt die Herausgabe des Sensendenglers, da in der Vermögensaufstellung ihres Vaters, der von den Nationalsozialisten enteignet wurde und 1945 im KZ Bergen-Belsen ums Leben kam, ein Bild von Egger-Lienz mit einem synonymen Titel angeführt wird. Von diesem Motiv gibt es nur eine zweite Version – und die gilt seit dem Ersten Weltkrieg als verschollen.

Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen: Die nächste Tagsatzung findet am 22. Oktober statt. Zudem läuft ein Verfahren, das Rudolf Leopold gegen den Autor dieser Recherche (wie auch jener über den Fall Moric Pick, die im STANDARD vom 20. Oktober 2000 veröffentlicht wurde) einbrachte: Per einstweiliger Verfügung wurde ihm und der Zeitung untersagt, ein bestimmtes Wort im Zusammenhang mit dem Sammler zu verwenden.

Dennoch – oder gerade deshalb – ist es notwendig, sich mit der Aussage von Leopold zu beschäftigen, der die eidesstattliche Erklärung abgab, "niemals bewusst auch nur ein Stück so genannter ****-Kunst erworben" zu haben. Wobei das Augenmerk hier nicht der möglicherweise bedenklichen Pauschalierung, es gäbe so etwas wie einen "durchschnittlichen Geschmack von jüdischen Sammlern", gilt. Sondern der Frage, ob es in der Zeit bis zum Einmarsch Hitlers wirklich keine Juden gab, die Egger-Lienz sammelten, weil sie ihn als "zu bäuerlich und zu derb" empfanden.

Es gab sie zur Genüge. Sie hießen zum Beispiel Markus Lindenbaum, Rudolf Bittmann, Otto Brill, Bernhard Altmann, Georg Duschinsky, Adolf Hochstim, Fritz Grünbaum, Willy Neurath, Alfred Kriesser und Fritz Hirsch.

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Die Vorgangsweise der Nationalsozialisten war genau die gleiche wie bei den großen Sammlern Rothschild, Bondy, Lederer: Die Wohnungen werden von Gestapo und SS beschlagnahmt, das Mobiliar veräußert. Die "Verwetungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo" Vugesta veräußert in Bausch und Bogen, vieles wird beim Dorotheum eingebracht, und die wertvollsten Stücke, mitunter auch ganze Sammlungen, kommen ins Zentraldepot in die Hofburg. Dort sucht sich Hans Posse, von Hitler im Juni 1939 mit dem Aufbau des geplanten Führermuseums in Linz beauftragt, aus, was er für wert hält. Der Rest wird an die übrigen Museen der Ostmark verteilt. Und so beginnt ein Kampf der Museumsdirektoren, der auch vor Egger-Lienz nicht Halt macht.

Am 30. Oktober 1939 bittet ein gewisser Drumbl, Gaupropagandaleiter in Klagenfurt, den Leiter des Denkmalschutzamts, Herbert Seiberl, ihm "diejenigen sichergestellten (...) Kunstschätze, die in irgendeiner Form auf den Gau Kärnten Bezug haben bzw. für uns in Kärnten besonderes Interesse besitzen, gelegentlich zu bezeichnen. (...) Nach Rücksprache mit meinem Gauleiter wollen wir die Sache so machen, dass ich einen Antrag auf Überlassung dieser Kunstgegenstände an den Gau Kärnten über Sie an Staatskommissar Plattner stelle, während der Gauleiter sich direkt mit dem Führer ins Einvernehmen setzt. Ich freue mich besonders darauf, dass, wie Sie mitteilten, einige Egger-Lienz-Bilder und auch ein Defregger vorhanden sind."

Und weiters: "Der Kreis Lienz gehört nunmehr nach dem Willen des Führers zum Gau Kärnten. Sie können sich denken, dass wir alle bestrebt sind, die beiden großen in Osttirol geborenen Maler durch einige Werke zu erleben. (...) Jedenfalls bin auch ich der Ansicht, die der Führer seinerzeit äußerte, dass die Werke berühmter Künstler wieder in ihre Heimatgaue zurückgehen sollen, um an Ort und Stelle besser erlebt und verstanden zu werden. Da Kärnten zur Zeit überhaupt fast nichts besitzt, danke ich Ihnen für Ihre Unterstützung und hoffe auf ein gutes Gelingen in dieser Sache."

In der Folge dürfte Seiberl eine Liste mit all den bisher konfiszierten Egger-Lienz-Werken (es sollten später noch weitere hinzukommen) an die Landesgalerie in Klagenfurt und an das Ferdinandeum in Innsbruck geschickt haben. Aus Kärnten trifft im Februar 1940 eine Wunschliste mit Werken "aus dem beschlagnahmten Wiener Besitz" von Gaukonservator Walter Frodl ein, auf der Werke wie Waldinneres, Jäger beim Gebet, Tote Krieger, Brustbild eines Bauern, Friedensschluss 1809, Bauernmahlzeit und so weiter stehen.

Das Begehren sollte grosso modo gewährt werden: Seiberl unterbreitetet einen "Verteilungsvorschlag", mit dem sich der Führer, berichtet Posse, einverstanden erklärt. Lediglich eines der vorgesehenen 17 Werke für Klagenfurt beziehungsweise Lienz, Zimmerleute betitelt, wird für das Führermuseum reserviert.

Am 11. März 1940 erhält Klagenfurt folgende Werke zugesprochen: Totentanz groß (273x242 cm), Kriegerfrauen, Mütter, Mittagessen, Totentanz klein (165x131), Die Menschen (Studie), Tote Soldaten Weltkrieg 1914/18, Bauernkopf, Betender Jäger, Kopf-Studie, Friedensschluss 1809, Nibelungenzug (Studie), Der Mäher (Studie), Frauenkopf-Studie, Sturmangriff, Festzug in Innsbruck Huldigung. Ein Gutteil der Werke ist für das Museum in Lienz bestimmt.

In Tirol dürfte man ziemlich neidisch gewesen sein. Denn Posse schreibt im Oktober 1941 an Seiberl, er verstehe nicht, warum sich Innsbruck durch die Zuteilung der "wenig bedeutenden Bilder" an Lienz gekränkt fühlt: "Innsbruck hat doch das beste galeriefähige Stück, das zur Verfügung stand, den großen Entwurf zur Schlacht am Berge Isel, bekommen! Eine Abänderung der vom Führer getroffenen Entscheidung ist unmöglich. Vielleicht lässt sich nach dem Krieg etwas machen."

Im Oktober 1941 bringt die Vugesta ein weiteres Bild von Egger-Lienz, den Orgelchor der Pfarrkirche in Lienz, beim Dorotheum zur Versteigerung ein. Es wird aber aus der Auktion genommen und geht, auf Vorschlag von Seiberl, nach Lienz. Im September 1942 soll eine Studie zum Totentanz versteigert werden. Seiberl bietet den Museen die Möglichkeit an, das Werk zum Schätzpreis zu erwerben, Frodl zeigt Interesse. Und zwischen 1943 und 1945 erhält das Ferdinandeum sieben Egger-Lienz-Werke, die "vom Gauleiter als Oberstem Kommissar erworben" worden seien: Bauernhof, Tiroler Schütze, Ein Mäher, Mahlzeit (Kopf des zweiten Bauern rechts), Der Lotsch, Drei Schnitter und Nach dem Friedensschluss (Kopf des Greises).

Allein schon diese Aufzählung widerlegt die Behauptung von Rudolf Leopold. Denn er hatte auf die Frage, ob die Bilder von Egger-Lienz in die Ideologie der Nazis gepasst hätten, geantwortet: "Das kommt auf das Motiv an. Geschätzt waren Bilder wie Bergmäher, das Mittagessen, Sämann, und auch der Sensendengler hätte in deren Ideologie gepasst. Unterdrückt wurden hingegen die Kriegsbilder, und diese wurden auch nicht gezeigt." Tatsache ist, dass sich in jüdischem Besitz sehr wohl auch die "derben" und "bäuerlichen" Motive befanden – und dass die Nationalsozialisten umgekehrt alles requirierten, was greifbar war, darunter auch Totentanz, Kriegerwitwen und Tote Soldaten.

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Nach dem Krieg ließ sich natürlich nichts mehr machen. Außer die Restitutionen zu verzögern. Diese Methode kann anhand von zwei exemplarischen Fällen illustriert werden. Erster Fall: Bernhard Altmann.

Der Wirk- und Strickwarenhersteller hatte in Hietzing, Kopfgasse 1, eine Villa besessen. Die Einrichtung – Tausende erlesene Stücke – wurde von 17. bis 22. Juni 1938 versteigert. Davon ausgenommen waren allerdings die Kunstwerke, darunter etliche Bilder von Egger-Lienz. Ab dem Sommer 1949 bemüht sich das Denkmalamt, den Verbleib der Werke ausfindig zu machen. Nicht ganz freiwillig allerdings.

Im September fragt man bei Bernhard Altmann, der nach New York geflohen war, an, ob ihm das Bild Ave Maria nach der Schlacht auf dem Berge Isel gehört habe, das nun im Ferdinandeum sei. Er antwortete, dies sei sehr wahrscheinlich: Es habe bis zum März 1938 in seiner Villa gehangen "zusammen mit einer ganzen Anzahl von Werken von Egger-Lienz, wie zum Beispiel Das Mittagessen, Totentanz, 1807 etc. Alle diese Bilder sind verschwunden, ich habe darüber nichts gehört."

Im November glaubt man, sechs weitere Bilder aufgespürt zu haben, die Altmann – aufgrund der Eigentumsangabe in der Egger-Lienz-Monographie von Heinrich Hammer aus 1930 – gehören müssten. Vier davon befinden sich in Lienz: Nibelungenzug, Bauernkopf (Öl), Bauernkopf (Kreide) und Betender Jäger. Und zwei in Klagenfurt: Totentanz (165x131cm) sowie Mittagmahl. Altmann ist erfreut, er bestätigt – und meint, in Lienz müsste zudem eine Schnitter-Ölstudie (42x53 cm) sein.

Der Lienzer Bürgermeister Alois Pichler bekennt zwar die oben aufgezählten vier Werke ein, bezüglich des Schnitters aber sei "nichts bekannt". Das Denkmalamt gibt sich mit der Auskunft nicht zufrieden: In einer Liste der zugewiesenen Bilder sei noch im Juni 1948 der Mäher genannt worden. Pichler streitet erneut ab. Fisimatenten macht auch Klagenfurt: Das Mittagessen, das Altmann zurückbegehre, sei nicht jenes, das man in der Landesgalerie bzw. im Landesmuseum sein Eigen nenne.

Im April 1950 wird es Denkmalamtspräsident Otto Demus zu bunt. Er schreibt dem Direktor: "Zu Ihrer persönlichen Information möchte ich hinzufügen, dass Herr Bernhard Altmann dem Herrn Bundespräsidenten (Karl Renner) für die Renovierung des Schweizer Tores und Schweizer Hofes der Burg einen namhaften Betrag als Spende übergeben hat, und dass daher die Präsidentschaftskanzlei ein aktives Interesse an den Restitutionsangelegenheiten des Herrn B. Altmann nimmt."

Dies sollte Wunder wirken: In Klagenfurt entdeckt man plötzlich, dass man ja zwei Mittagessen hat, und mit dem zweiten Mittagessen sei das gesuchte Bild tatsächlich ident ... Bezüglich des Huldigungsfestzugs der Tiroler Schützen, das Bernhard Altmann schließlich auch noch zurückfordert, stellt man sich in Kärnten aber weiterhin stur – obwohl Demus etliche Indizienbeweise vorlegt.

Altmann erhält schließlich von seinen neun Egger-Lienz-Bildern sieben zurück: Mittagessen, Bauernkopf (Kreide), Nibelungenzug, Betender Jäger, Bauernkopf (Öl), Totentanz, Ave Maria nach der Schlacht auf dem Berge Isel. Der Schnitter, dessen Existenz bestritten worden war, befindet sich – laut der Egger-Lienz-Monographie von Wilfried Kirschl (1996) – nach wie vor in Lienz. Der Huldigungsfestzug befindet sich noch immer in Klagenfurt.

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Zweiter Fall: Ende 1946 nimmt Ernst Duschinsky, Sergeant bei der britischen Armee, Kontakt mit dem Denkmalamt auf. Sein Vater, Georg Duschinsky, hatte zwei Tafelbilder aus dem 15. Jahrhundert (Madonna mit Kind und Beweinung Christi), ein Tonrelief aus dem 16. Jahrhundert (Madonna mit Kind) – und mehrere Werke von Egger-Lienz: Totentanz (237x275 cm), Waldinneres, Nach dem Friedensschluss und Zimmermannswerkstatt/Vorfrühling. Zudem nimmt er an, dass seinem Vater das Bild Kriegerwitwen und die Ölskizze Kopf eines bärtigen Bauern gehört haben dürften.

Die drei Kunstwerke aus dem 15./16. Jahrhundert und den Vorfrühling (=Zimmerleute), den Posse für das Führermuseum beansprucht hatte, erhält Duschinsky 1949/50 zurück. Auch die Ölskizze wird nach langem Hin und Her im Juni 1953 restituiert. Diese Werke befanden sich in der Zuständigkeit des Denkmalamts im Salzbergwerk Altaussee. Bei den übrigen vier Egger-Lienz-Bildern kommt es zu folgenschweren Komplikationen. Die Kriegerwitwen stellen sich als Besitz von Camilla Kohn und/oder Otto Hochstim heraus, das Ferdinandeum erwirbt das Gemälde 1952, die Kaufsumme wird aufgeteilt. Duschinsky zieht daher seine Forderung zurück – obwohl sie wahrscheinlich zu Recht bestanden hat, wenn auch auf eine andere Fassung (ohne Kreuz): auf jene, die sich in Lienz befand, erworben durch den Reichsgau Kärnten 1941. Auf diesen offensichtlichen Irrtum wurde Duschinsky nicht aufmerksam gemacht. Das Gemälde befindet sich noch heute in Lienz.

Bei den Werken Totentanz, Waldinneres und Nach dem Friedensschluss wird das Eigentum Duschinskys zwar anerkannt: Die Finanzlandesdirektion Steiermark lässt sie im Juli 1951 per Bescheid zurückstellen. Das Denkmalamt kann die Bilder aber nicht restituieren, da diese doch "in Verwaltung des Landes Kärnten stehend anzusehen" seien: Das Landesmuseum sei "in keiner Weise verpflichtet", die Objekte auszufolgen. Die Finanzprokuratur in Wien beruft, die Finanzlandesdirektion Steiermark erlässt einen neuen Bescheid. Das Land Kärnten fordert nun 3000 Schilling "Verwaltungs- und Erhaltungskosten". Duschinsky legt gegen diese Summe, die durch nichts gerechtfertigt scheint, Berufung ein. Am 9. Februar 1953 erlässt das Finanzministerium einen weiteren Bescheid: die drei Bilder sind auszufolgen – ohne Junktimierung mit einer Zahlung.

Mit diesem Schriftstück bricht der Akt im Denkmalamt ab. Die drei Kunstwerke bleiben in der Landesgalerie beziehungsweise im Landesmuseum Klagenfurt. 1989 erwirbt Rudolf Leopold Waldinneres und Nach dem Friedensschluss im Tausch gegen ein Selbstporträt von Anton Kolig. Diese beiden Gemälde befinden sich heute im Leopold-Museum in Wien.

(Rudolf Leopold wollte noch ein drittes Egger-Lienz-Werk vom Land Kärnten erwerben. Es heißt Mann und Frau oder Das Bauernpaar und war einst vom Reichsgau Kärnten Hitler zum Geschenk gemacht worden. Auf dem Keilrahmen ist vermerkt: "Besitz des Führers".)

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Viele Geschädigte hatten in den Nachkriegsjahren das gleiche Problem: Sie konnten nicht beweisen, dass ihre Ansprüche zu Recht bestanden. Weil die Zentimeter-Angaben nicht genau stimmten. Weil das konfiszierte Bild unter einem anderen Titel geführt wurde. Weil es von einem Motiv mehrere Fassungen (wie bei Egger-Lienz häufig der Fall), aber kein Foto des Kunstwerks gibt.

Was macht uns daher so sicher, dass der Schnitter, der Bernhard Altmann gehört hatte, in Lienz ist? Dass der Huldigungsfestzug der Tiroler Schützen in der Kärntner Landesgalerie hängt? Dass das Waldinnere und der Entwurf zu Nach dem Friedensschluss, die nun im Besitz der staatlichen Leopold-Stiftung sind, einst Georg Duschinsky gehört hatten?

Wir haben Fotos. Aus der NS-Zeit. Aufgenommen vom damaligen Denkmalschutzamt. Die Negative - rund 5600 an der Zahl – haben bis heute überdauert. Unbeachtet von den Archivaren. Erst vor wenigen Monaten wurde dieses Fotoarchiv entdeckt. Nicht von den fix bestallten Beamten. Sondern von den Historikerinnen und Historikern, die auf Werkvertragsbasis die Provenienzforschung des Bundes vorantreiben. Ihnen wird ein eigener Artikel zu widmen sein. Sie stießen auf dieses Archiv durch das Studium der Akten: Immer wieder, sowohl in der NS- als auch in der Nachkriegszeit, wird darauf Bezug genommen.

Das zugehörige Inventar gibt Aufschlüsse. Denn penibel wurde über die beschlagnahmten Kostbarkeiten, die man ablichtete, Buch geführt: Wer der "Einbringer" war (Bondy, Lederer, Blauhorn, Pollak, Stiasny etc.), wer der Künstler war, was das Kunstwerk darstellt.

Leider wird nicht immer der ursprüngliche Besitzer genannt. Bei den Inventarnummern 177-183 und 186 steht: Gestapo. Es handelt sich um Egger-Lienz-Werke. Wie Mittagessen, Nibelungenzug, Totentanz. Es sind die Bilder aus der Sammlung Altmann. Auch der Schnitter wurde fotografiert und der Huldigungsfestzug. Insgesamt tauchen in dem Inventar 21 Werke von Egger-Lienz auf, darunter die Werke Waldinneres (Nummer 1525) und Entwurf zu Nach dem Friedensschluss (Nummer 1523) aus dem Besitz Georg Duschinsky.

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Noch immer ist die Zahl der Egger-Lienz-Werke, die in der NS-Zeit auf dubiose Art und Weise in den Besitz der österreichischen Museen kamen und weiterhin im Besitz der öffentlichen Hand sind, nicht genau festzustellen. Hier nur eine vorläufige Liste.

Lienz hat folgende Bilder mit ungeklärter Herkunft: Der Schnitter (einst Bernhard Altmann). Kriegsfrauen (einst vermutlich Georg Duschinsky). Die Prozession I (Versteigerung 1941). Insgesamt könnten, wie man hört, zumindest zehn der 20 in der NS-Zeit "erworbenen" Werke eine bedenkliche Provenienz haben. Der Historiker Martin Kofler erforscht nun im Auftrag der Stadt die Erwerbsgeschichte der Egger-Lienz-Sammlung. Mit einem Ergebnis ist aber erst im Frühjahr 2002 zu rechnen.

Klagenfurt hat folgende Bilder mit ungeklärter Herkunft: Totentanz groß (einst Georg Duschinsky), Huldigungsfestzug der Tiroler Schützen (einst Bernhard Altmann), Entwurf zu Totenopfer und Bauernstube mit Kachelofen. Auch Der Winter und Inneres einer Kapelle könnten fragwürdige Erwerbungen sein.

Innsbruck hat folgende Bilder mit ungeklärter Herkunft: Bauernhof, Tiroler Schütze, Ein Mäher, Mahlzeit (Kopf des zweiten Bauern rechts), Der Lotsch, Drei Schnitter, Nach dem Friedensschluss (Kopf des Greises). Sie wurden "zwischen 1943 und 1945 vom Gauleiter als Oberstem Kommissar erworben und dem Ferdinandeum übergeben; mit Kriegsende in das Eigentum des Landes Tirol übergegangen". Fragwürdig scheinen zudem: Sämann und Teufel sowie Frau mit Kopftuch.

Die Stiftung Leopold hat folgende Bilder mit ungeklärter Herkunft: Entwurf zu Nach dem Friedensschluss und Waldinneres (beide einst Georg Duschinsky) sowie Der Sensendengler (einst möglicherweise Moric Pick).

Ich danke den ProvenienzforscherInnen Anneliese Schallmeiner, Ulrike Niemeth, Anita Gallian-Stelzl und Robert Holzbauer sowie ganz besonders Ernst Bacher vom Bundesdenkmalamt, die meine Recherchen unbürokratisch gestatteten und unterstützten. Ich danke auch all jenen, deren Namen nicht genannt werden dürfen.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.10. 2001)

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