Geschlechterpolitik
Caritas: Frauen machen zwei Drittel der Hilfesuchenden aus
Armutshilfe durch Aktion "ÖsterREICH hilft ÖsterARM"
Wien - Armut sieht man oft nicht auf den ersten Blick. Und Menschen in Armut zu helfen, heißt in erster
Linie hinschauen lernen, so Caritas-Präsident Franz Küberl bei einer Pressekonferenz zum Thema Armut montags in Wien.
Wie jedes Jahr startete die Caritas ihre Aktion "ÖsterREICH hilft ÖsterARM". Dabei bittet die Hilfsorganisation in TV-Spots, Zeitungen und auf Plakaten um Unterstützung für Menschen in Not, erläuterte Küberl. "Am Mariensonntag, am 18. November, wird in den österreichischen Pfarren auch auf diese Aktion hingewiesen", sagte der Präsident. Im vergangenen Jahr wurden laut der Hilfsorganisation österreichweit 45 Millionen Schilling gesammelt.
Zahlen
93 Prozent ihrer Arbeit leistet die Caritas im Inland.
900.000 Menschen sind in Österreich armutsgefährdet, davon sind
340.000 akut arm.
Frauen
machen zwei Drittel der Hilfesuchenden aus, rund 30 Prozent von ihnen
sind alleinerziehend. 7.500 obdachlose Männer und 1.500 obdachlose
Frauen finden jährlich in 35 Caritas-Einrichtungen Unterkunft und
Betreuung. 75 Einrichtungen geben Menschen mit Behinderungen einen
sicheren Ort zum Leben und Arbeiten. 6.500 österreichische Haushalte
erhielten von der Caritas unmittelbare Unterstützung, z.B. durch
Bezahlung von Mieten, Strom, Lebensmitteln und dringend notwendigen
Anschaffungen, zum Beispiel durch die Geburt eines Kindes.
Auffangnetz Sozialhilfe hält nicht mehr
"Wer mit 7.420 Schilling - so hoch ist das durchschnittliche
Pro-Kopf-Einkommen der Caritas-Klientinnen in den
Sozialberatungsstellen - Wohnung, Essen, Heizung, Fahrtkosten und
Kleidung bezahlen muss, oder anders gesagt nach Abzug der Fixkosten
mit weniger als 80 Schilling auskommen muss, weiß, dass für
Sonderausgaben wie die Reparatur der Heizung kein Schilling mehr
übrig bleibt", berichtet der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau.
Die Sozialhilfe, das letzte Netz für Menschen in Not, hat
dringenden Reformbedarf. "Derzeit hängt die Höhe der Sozialhilfe
davon ab, ob der Bedürftige in Wien, Niederösterreich, Steiermark
oder Kärnten wohnt und nicht davon, wie groß die Not ist", bemängelt
der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau die willkürliche
Festsetzung in jedem Bundesland.
Auch der Versuch Sozialhilfeleistungen zu beziehen, artet oft in
einen Spießrutenlauf aus. Zum Teil müssen Anträge beim
Gemeindesekretär gestellt werden und werden im Gemeinderat
diskutiert. Die Bedürftigen erhalten mangelnde oder falsche
Informationen über zustehende Leistungen oder werden mit einigen
Hundertern abgespeist, anstatt eine richtsatzgemäße Leistung
ausgezahlt zu bekommen. Selbst die wenigen Menschen, die eine
Dauerleistung aus der Sozialhilfe erhalten (zumeist sind dies ältere
Menschen im Pensionsalter), sind häufig nicht krankenversichert.
Auch in den Ländern gibt es ein Bewusstsein und Verhandlungen über
notwendige Veränderungen. Bisher gab es aber keine substantiellen
Schritte in Richtung einer modernen, existenzsichernden
Sozialleistung. "Am Geld alleine kann es wohl nicht liegen",
analysiert Landau, "denn mittlerweile macht die offene Sozialhilfe
nicht einmal mehr 10 % der gesamten Sozialhilfemittel der Länder aus"
(Quelle Pfeilstudie). Durch die Sparpakete der 90-er Jahre und die
Veränderungen in der Arbeitswelt haben die Aufgaben der offenen
Sozialhilfe zugenommen, ihr Volumen hat aber abgenommen. "Die
Sozialhilfe muss ein verlässliches letztes Netz sein, wo alles neu
anfangen kann und nicht alles am Ende ist", fordert Landau.
Armutsfallen Krankheit und Arbeitslosigkeit
Von der Armut am meisten bedroht seien Langzeitarbeitslose, erläuterte Präsident Küberl. Die Höhe des Arbeitslosengeldes
und der Notstandshilfe reiche oft nicht aus, um armutsvermeidend zu
wirken. "Die ArbeitslosengeldbezieherInnen haben vom konjunkturellen
Aufschwung der letzten Jahre am wenigsten profitiert, die Mittel wurden zur Budgetsanierung zweckentfremdet und
abgeschöpft, statt sie zum Beispiel für die Reintegration von
Langzeitarbeitslosen zu verwenden", resümiert
Küberl.
Auch körperliche und psychische Beeinträchtigungen wurden in dramatischer Weise zur Armutsfalle, so der Caritas-Präsident.
JedEr zweite Hilfesuchende in den Sozialberatungsstellen der
Caritas leide unter körperlichen oder psychischen Problemen:
"Handicaps wie diese sind oft die wahre Ursache für
Arbeitslosigkeit und das Absinken in Armut. Es braucht
verantwortungsbewusste Maßnahmen der Politik, um Menschen zu helfen,
sich aus dieser Armut wieder zu befreien."
Vorschläge der Caritas zur Existenzsicherung
Deswegen schlägt Küberl zur Existenzsicherung für das Jahr 2002 vor, das Sozialsystem zu modernisieren. "Das beinhaltet die Einführung von Mindeststandards in der Arbeitslosenversicherung, die einer Verarmung von Arbeitslosen, allein Erziehenden und Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen entgegenwirken würde", so der Präsident. Weiters sehe Küberl statt einen Abbau einen Ausbau der Maßnahmen für Langzeitarbeitslosen am Arbeitsplatz vor. Auch will Küberl jene Menschen, die nicht krankenversichert sind, in die Versicherung aufnehmen.
(red)