Wien - Der Umfang der von den Mitgliedsstaaten der EU und vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung OLAF festgestellten Unregelmäßigkeiten und Betrügereien hat dramatisch zugenommen und einen Höchststand von 28 Milliarden Schilling erreicht. Dies erklärte der SPÖ-Europaabgeordnete Herbert Bösch am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Wien anlässlich der Veröffentlichung des "Betrugsbericht 2000". Dies bedeute im Vergleich zu den Vorjahren eine Verdoppelung und bezogen auf die Gesamteinnahmen der Union einen Anteil von 2, 45 Prozent. "Die Reaktion der Kommission auf diese Zahlen war gleich null", kritisierte Bösch. Zu diesem Zeitpunkt stehe noch nicht fest, ob es sich bei den Fällen um Betrügereien oder Unregelmäßigkeiten handle, erklärte Bösch. "Wir gehen davon aus, dass es sich bei 20 Prozent der Unregelmäßigkeiten um Betrug handelt". Diese alarmierenden Zahlen dürften zum Teil aber auch auf verstärkte Anstrengungen in der Betrugsbekämpfung zurückzuführen sein. Die Dunkelziffer für nicht festgestellter Betrügereien und Unregelmäßigkeiten dürften laut Bösch allerdings noch deutlich höher liegen. Verluste auf der Einnahmeseite vor allem durch hinterzogene Zölle und Abgaben in Höhe von 1,14 Milliarden Euro (15,7 Mrd. S) würden mehr als die Hälfte der Schäden ausmachen, aber auch auf der Ausgabenseite und insbesondere bei den von der Kommission direkt verwalteten Ausgaben sei ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen, erklärte Bösch. Bei den Abgängen auf Einnahmeseite stehe der Zigarettenschmuggel im Mittelpunkt, sagte der Europaabgeordnete. Die Kommission habe eine Klage gegen amerikanische Tabakkonzerne erhoben, durch deren Mitwirkung der seit Jahren in gewaltigem Ausmaß stattfindende Zigarettenschmuggel in Europa erst möglich sei. Zehn Mitgliedstaaten der EU hätten sich der Klage angeschlossen, Österreich jedoch nicht. "Es ist ein Skandal, dass Österreich sich nicht angeschlossen hat", erklärte Bösch. Damit verzichte der österreichische Finanzminister auf jegliche eventuelle Schadenersatzzahlung. Die Vergabe von Geldern an die EU-Beitrittskandidaten müsse stärker kontrolliert werden, forderte Bösch. Der Korruptionsfall in der Slowakei habe gezeigt, dass bei den Beitrittskandidaten weitere gesetzliche und administrative Maßnahmen notwendig seien, um einen eventuellen Missbrauch bei der Verwendung von Mitteln aus der EU-Beitrittshilfe wie dem Phare-Programm zu verhindern. "Die Verwaltung der Gelder ist seitens der EU bisher vollkommen ignoriert worden", kritisierte Bösch: "Neben Temelin gibt es noch tausend Dinge, die uns im Zusammenhang mit Erweiterung zu interessieren haben." Auf seine Initiative seien für die Slowakei bestimmte EU-Gelder in Höhe von 15 Millionen Euro wegen Missbrauchs von Phare-Geldern eingefroren worden, sagte Bösch. Diese könnten jedoch bei der kommenden Sitzung des EU-Parlaments im Dezember wieder zur Verfügung gestellt werden. Auf Böschs Initiative habe das EU-Parlament am Dienstag auch in erster Lesung die Exportsubvention für Vieh außerhalb der EU in Höhe von 58 Millionen Euro gestrichen. "Das Geld war für den Export von 300.000 Stück Vieh in den Nahen Osten bestimmt". Viehexport gehört für Bösch der Vergangenheit an. (APA)