EU
"Es darf kein Rosinenpicken geben"
Schüssel will klärendes Gespräch zum Ausschluss der kleinen EU-Länder vom Londoner "Mini-Gipfel"
Brüssel - Die Verärgerung der kleineren EU-Staaten über
ihren Ausschluss von einem Mini-Gipfel zu Afghanistan und Nahost
schlägt weiter Wellen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erklärte am
Donnerstag in Brüssel, er werde im Zusammenhang mit der
Nicht-Einladung von acht EU-Staaten zum Mini-Gipfel vom vergangenen
Sonntag gegenüber dem belgischen Premier Guy Verhofstadt darauf
"bestehen", dass alle EU-Länder gleichberechtigt seien. Auch
EU-Kommissionspräsident Romano Prodi betonte, es geben "keine kleinen
und großen EU-Länder", alle seien gleich. Er werde dafür sorgen, dass
die EU-Verträge eingehalten werden.
"Ich muss nicht protestieren", betonte Schüssel auf
Journalistenfragen vor der Unterredung mit Verhofstadt auf
entsprechende Pressemeldungen. Aber wenn die Mitgliedsstaaten als EU
handeln wollten, sollten sie dies im EU-Rahmen tun und nicht in
"individueller Zusammensetzung". Als Freunde müssten alle EU-Staaten
offen miteinander diskutieren können. Am Vorabend hatte Schüssel im
Europaparlament gewarnt, der Mini-Gipfel stelle eine "falsche und
gefährliche Entwicklung" dar. Die EU müsse als geeinte europäische
Familie in der Anti-Terror-Koalition auftreten. Es dürfe kein
"Rosinenpicken" oder "eine Art Direktorium" geben.
Gemeinsamer Protest
Im Büro Lipponens in Helsinki hatte es am Mittwoch nachmittag auf
Anfrage geheißen, Schüssel solle Verhofstadt den gemeinsamen Protest
der Acht übermitteln. Man müsse in solchen Fällen "intervenieren".
Die acht Länder hatten am Montag untereinander telefonisch über den
umstrittenen Mini-Gipfel beraten, den der britische Premier Tony
Blair am Sonntag Abend überraschend in London einberufen hatte.
Zunächst sollten nur Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac und
der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeladen werden, um
über Afghanistan und Nahost zu diskutieren. Nachdem Italiens
Regierungschef Silvio Berlusconi, der niederländische Premier Wim Kok
und Spaniens Jose Maria Aznar protestiert hatten, musste Blair sie
buchstäblich in letzter Minute zusammen mit dem belgischen
Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt als EU-Ratspräsidenten und dem
außenpolitischen EU-Beauftragten Javier Solana hinzubitten. (APA)