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Einige der wichtigsten Schiele-Werke blieben, obwohl seit 1994 Besitz der Stiftung Leopold, im Haus des Sammlers. Jetzt sind sie im Leopold-Museum zu bestaunen. Nur ein einziges fehlt. Warum?
Ein Analyse von Thomas Trenkler
Durchaus ins Schwärmen gerät Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, wenn die Rede auf das Leopold-Museum kommt, dessen kaufmännischer Leiter er einige Jahre lang war. Nicht so sehr wegen der krassen Überrepräsentation mancher seiner Meinung nach mittelmäßiger Maler, die selbst für die Kunsthistorie Österreichs von nur marginaler Bedeutung seien, aber ob der einzigartigen Zusammenführung der Gattungen Malerei und Grafik: Das kürzlich eröffnete Museum ist wie eine Fusion der Österreichischen Galerie mit der Albertina zu einer sinnstiftenden Einheit. Schröder meint, dass es künftig kaum mehr monokulturelle Ausstellungen geben werde, weil der Besucher eine komplexere Darstellung der Kunst erwarte. Den Vorteil der Sammlung, Ölbilder zusammen mit Studien zu diesen zu präsentieren, spielt Rudolf Leopold aber nicht aus: Im obersten, lichtdurchfluteten Stockwerk seines strahlenden Muschelkalkgebäudes im Wiener Museumsquartier zeigt er zum Beispiel die Malerei von Egon Schiele - und im Keller dicht an dicht, wie Produkte im Supermarkt, dessen zeichnerisches Werk. Dass diese Hängung alles andere als ideal ist, beweist der zur Eröffnung herausgegegebene Katalog. Denn in diesem werden sehr wohl Gemälde mit Blättern ergänzt: Der Häuserbogen zusammen mit einer Vorzeichnung, der Liebesakt aus 1915 zusammen mit einer Studie, das Haus mit Schindeldach zusammen mit einer Bleistiftzeichnung. Abgesehen von diesem Manko ist das, was man in den Schiele-Sälen zu sehen bekommt, erstaunlich. Vor allem deshalb, weil man einige der Gemälde seit Jahrzehnten nicht mehr in Augenschein nehmen konnte. Zum Beispiel die Entschwebung , das zweitwertvollste Schiele-Werk der Sammlung (Schätzpreis: 290 Millionen Schilling). Oder Hauswand am Fluss (190 Mio.). Oder Häuserbogen (180 Mio.). Oder Haus mit Schindeldach (180 Mio.). Die Bilder befanden sich, obwohl bereits 1994 von der Republik Österreich für die Stiftung Leopold erworben, all die Jahre im Haus des Sammlers - offiziell wegen "beschränkter Transportfähigkeit". Nur ein einziges der insgesamt sieben Schiele-Gemälde, die von Leopold die Jahre über verwahrt wurden, ist nicht im Museum zu sehen. Es handelt sich dabei um das sechstwertvollste Schiele-Bild (180 Millionen) und das achtwertvollste Kunstwerk der Sammlung insgesamt. Offizielle Begründung für das Fehlen: Es sei beim Restaurator. Diese Begründung mutet eigenartig an: Seit Jahren wusste man, dass das Museum gebaut wird. Seit Jahren wusste man zudem, wann es hätte eröffnet werden sollen. Und es wurde sogar drei Monate später eröffnet, als es eigentlich geplant gewesen war. Aber egal. Oder eigentlich doch nicht. Denn just dieses Bild fehlt auch im Katalog. Obwohl alle anderen Werke der Top-Ten-Liste unter den 296 Reproduktionen enthalten sind. Der richtigen Top Ten, basierend auf dem offiziellen Schätzgutachten. Und nicht jener, die News kürzlich veröffentlichte. Denn auch in diesem Ranking fehlt das Bild Die Häuser am Meer . Dafür rutschte auf die Liste Krumau an der Donau - obwohl es nur mit 175 Millionen bewertet wurde. Was mag wohl der Grund dafür sein, dass über dieses Gemälde, Häuser am Meer betitelt, der Mantel des Schweigens gebreitet wird? Es gehörte einst Jenny Steiner. Und die Erben fordern das Bild, das von den Nationalsozialisten gestohlen worden war, schon seit Jahren zurück. Sie werden in dieser Angelegenheit von Ariel Muzicant, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, vertreten. Auch Vera Gara fordert von der Stiftung Leopold ein Bild zurück, das ihrem Vater, dem jüdischen Salamifabrikanten Moric Pick, gehört haben dürfte: Der Sensendengler von Albin Egger-Lienz. Ein Prozess ist anhängig, er findet nächsten Montag seine Fortsetzung. Auch dieses Bild hängt nicht im Museum. Begründung: Es habe Rudolf Leopold nicht ins Konzept gepasst. Denn er und seine Gattin Elisabeth legen darauf Wert, "den Namen Leopold und damit eine der im Werden begriffenen Hauptattraktionen Wiens makellos sauber zu halten", so die Neue Zürcher Zeitung : Ein vollständiges Einlenken auf die Forderungen der Erben könne von einem Sammler nicht erwartet werden, soll Elisabeth Leopold gesagt haben. Man wolle in Vergleichsverhandlungen erreichen, dass Schieles Häuser am Meer "gegen eine Abgeltung weit unter Wert" im Museum behalten werden kann. Elisabeth Leopold fühlte sich falsch zitiert - und wollte eine Richtigstellung erwirken. In einem Brief an die NZZ , der wohl irrtümlich dem S TANDARD zugefaxt wurde, schreibt sie: "Die Erben der ehemaligen Eigentümerin des Bildes Häuser am Meer von Egon Schiele sind nie an uns herangetreten. Es war umgekehrt: Die Stiftung Leopold bemüht sich seit zwei Jahren vergeblich, in den USA und in England die Nachkommen bzw. Verwandten der Frau Jenny Steiner zu finden. Auch die Israelitische Kultusgemeinde in Wien kennt die Erben nicht." Eine eigenartige Richtigstellung. Denn die Kultusgemeinde kennt die Erbengemeinschaft. Und die Kultusgemeinde - beziehungsweise deren Präsident - trat an die Leopolds heran. Allerdings ist man nicht an einer "Abgeltung weit unter Wert" interessiert. Sondern an einer Restitution. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 10. 2001)