Die Tischsitten im Mittelalter waren feiner, als vielfach bekannt ist. Ab etwa 1200 galten Verbote für lange Fingernägel, das Wegwerfen von Abfällen unter den Tisch, Schneuzen mit der Hand, Kratzen, Spucken, Zähnesäubern mit der Messerspitze und das Abschlecken der Finger. Dies schreibt die aus Wilhelmshaven stammende und heute in Australien lebende Historikerin Maike Vogt-Lüerssen in ihren Buch "Der Alltag im Mittelalter".Damals wurde selbst in vornehmer Gesellschaft noch mit den Fingern gegessen. Man teilte sich mit Nachbarn den Löffel und das Trinkgefäß und nahm Fleischstücke aus der gemeinsamen Schüssel oder dem großen Topf. Deswegen wurde das öffentliche Händewaschen vor und nach dem Essen eingeführt. Die feineren Tischsitten wurden zunächst nur von Adligen, später aber auch von Bürgern und Bauern beherzigt. Verpönt war es vor rund 800 Jahren auch, die Ellbogen auf den Tisch zu legen und Knochen mit den Zähnen abzunagen oder mit Fingernägeln zu bearbeiten. Unklar blieb, womit man den fettigen Mund vor dem Benutzen des gemeinsamen Trinkgefäßes säubern sollte. In einigen Tischregeln wurde für solche Situationen vorgeschlagen, sich des überhängenden Tischtuches zu bedienen, damit jedoch nicht die Zähne zu reinigen und sich auch nicht hineinzuschnäuzen. Andere Tischregeln wiederum forderten dazu auf, den Mund mit der Hand abzuwischen. Mit seiner eigenen Kleidung reinigte man nicht nur fettige Finger und den schmutzigen Mund, sondern putzte man bei Schnupfen auch die Nase. Servietten, die es bereits in der Antike gegeben hatte, wurden erst im 15. Jahrhundert wieder entdeckt. (apa/red)