"You keep telling me lies, but to your surprise / Look I found her red coat and you're caught out there / I hate you so much right now . . ." - Kelis kraftvolle Wut-Ansage - gewissermaßen allen untreuen Männern ins Gesicht geschrieen - machte die 22-Jährige vor über einem Jahr zum neuen Star der New Yorker R'n'B und Soul Szene. Bereits ab dem zweiten Lebensjahr musste die Tochter des US-amerikanischen Jazzmusikers und Predigers Kenny (Kenneth) Rogers und Iveliss, Kinderkleider-Designerin, im Kirchenchor in Harlem singen. Mit 14 erlernte sie Geige zu spielen. Ihr Vater hatte sie gern als Publikum bei seinem Klavierspiel. Kelis posierte für Covers von Mode-und Jugendmagazinen. Sie versuchte sich in einer Girl-Band namens BLU (Black Ladies United) – aber nur kurz. Ein Leben voller Musik, aber doch nicht in familiärer Idylle: "Ich flog zu Hause raus, weil ich mich nicht an die Regeln halten konnte", erinnert sich Kelis. Ihren Namen leitete sie dennoch von den Namen der Eltern ab – sie prägen einen ja doch. "Damals dachte ich nicht im Traum an eine musikalische Karriere, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, darüber nachzudenken wo ich die nächste Mahlzeit herbekommen sollte." Keine leichte Zeit - mitunter auf Parkbänken. Trotzdem schaffte sie den High-School-Abschluss und absolvierte die La Guardia Performing Arts School. Dann kam der Sprung ins Musikgeschäft: Ein Freund stellte sie dem Produktionsteam "The Neptunes" vor. Das Multitalent überzeugte als Sängerin bei "Got Your Money" von Ol' Dirty Bastard's. Und der schreiende Refrain "I Hate You So Much Right Now" machte die Single "Caught Out Here" zum Hit. Ihr Debütalbum "Kaleidoscope" (Virgin) – psychedelischer Science-Fiction-Soul - bewirkte vor allem eins: Mensch wollte mehr von dieser Kelis-Sound-Welt. Mit "Wanderland" (Virgin 2001) präsentiert Kelis nun eine "neue Dimension - einen Platz, den mensch zuvor noch nie betreten hat." Die Welt ist HipHop, Soul, R&B, Funk mit einer geladenen Portion 80-er Retro-Style und einem sagenhaften Stimmwunder. Waren bei "Kaleidoscope" "The Neptunes" für die Songs verantwortlich, nahm nun Kelis dies selbst in die Hand: "Kelis übernahm die Zügel" – vielleicht posiert sie deshalb im eigenartigen "Sexy-80er-Schick" auf einem weißen Pferd für das Booklet. "Ich bin 21. Ich bin Glücklich. Ich mache genau das was ich will. Wer will mir einreden, dass ich das nicht kann? Es ist wichtig, Fragen zu stellen und zu erkennen, dass wir alle mehr vom Leben verdienen." Bei dieser präsentierten frechen, selbstbestimmten Haltung verwundert es etwas, dass sich Kelis derart vor dem Feminismusbegriff - von wegen karriereschädigend ("In Amerika hat Feminismus kein gutes Image") - derart fürchtet und deshalb auf keinen Fall mit diesem in Verbindung gebracht werden will. Aber sie ist ja noch jung und kann noch dazu lernen. – Vielleicht kommt ja selbst in Amerika mal die Zeit, wo es nicht nur cool ist, mit glitzernen, geschmaklosen Designergürteln punkten zu wollen, sondern mit cool(politisch)en Statements - und Kelis Feminismus cool findet. (pd)