Linz - Nur einmal, nach seiner Ehekrise und seiner Krankheit, aber vor Bekanntgabe seiner Wiederkandidatur hat Klestil derartig schwache Umfragewerte gehabt. Werner Beutelmeyer, dessen market-Institut wiederholt Umfragen über den Bundespräsidenten gemacht hat, verweist darauf, dass Klestil das Amt in den Augen der Österreicher stark geprägt und gewandelt hat: "Der Bundespräsident agiert eben nicht nur als abgehobenes Staatsoberhaupt, sondern als Politiker - und er wird eben auch als Politiker mit Licht- und Schattenseiten wahrgenommen." Die Lichtseiten: 13 Prozent der Österreicher gefällt Klestil nach wie vor ausgezeichnet, weiteren 34 Prozent gut. Und: 44 Prozent der Österreicher sagen, dass Klestil gerade das richtige Maß finde, wenn es darum geht, in das politische Tagesgeschäft einzugreifen. Weitere 31 Prozent (besonders jüngere und männliche Befragte) wünschen sich sogar ein noch aktiveres Eingreifen Klestils. Die Schattenseiten: 18 Prozent sagen, Klestil greife zu viel ein - eine Meinung, die ganz besonders von Anhängern der Freiheitlichen vertreten wird; und von älteren Befragten, die von früher her einen zurückgezogeneren Amtsträger gewohnt sind. Und: 16 Prozent sagen, Klestil gefalle ihnen allgemein "weniger gut", weiteren elf Prozent gefällt er "gar nicht gut". Ein weiteres Viertel der Befragten sagt, Klestil gefalle "einigermaßen". 47 Prozent wollen den Bundespräsidenten auf die Repräsentation beschränken Die unübersehbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundespräsidenten und der Regierung haben die Einschätzung der generellen Aufgaben des Präsidenten geschärft und die Wahlberechtigten in zwei annähernd gleiche Lager gespalten: 49 Prozent wünschen sich einen Bundespräsidenten, der "am politischen Geschehen aktiv teilnimmt", 47 Prozent wollen den Bundespräsidenten auf die Repräsentation beschränken. Dies ist eine klare Verschiebung gegenüber dem Frühjahr: In der letzten Befragungswelle gab es noch eine 58:37-Prozent-Mehrheit für einen aktiven Bundespräsidenten. Vor allem die Freiheitlichen wollen, wenn überhaupt, ein rein auf Repräsentation beschränktes Präsidentenamt. DER STANDARD ließ auch fragen: "Thomas Klestil ist in seiner zweiten und somit letzten Amtsperiode. Derzeit wird auch schon über mögliche Kandidaten für die nächsten Wahlen zum Bundespräsidenten diskutiert. Eine Kandidatin, deren Namen genannt wird, ist Benita Ferrero-Waldner. Glauben Sie, dass Benita Ferrero-Waldner eine Bundespräsidentin für alle Österreicher sein kann, oder glauben Sie das eher nicht?" 44 Prozent stimmen dem zu, 46 Prozent glauben eher nicht, dass die Außenministerin Präsidentin sein könnte - im Frühjahr stand es noch 53:33 für Ferrero-Waldner. Für den möglichen SPÖ-Kandidaten Heinz Fischer sieht es allerdings noch schlechter aus: Nur 32 Prozent (zuletzt: 42) halten ihn für einen möglichen Bundespräsidenten aller Österreicher, 46 (41) Prozent glauben nicht daran. Und der erst in den letzten Wochen mehrfach genannte FPÖ-Kandidat Herbert Scheibner ist nur für zehn Prozent als Bundespräsident aller Österreicher denkbar, 56 Prozent trauen ihm das nicht zu. Auf ein mögliches Wahlverhalten angesprochen, erklären sich 39 Prozent für Ferrero Waldner (im Frühjahr waren es 38 Prozent), 18 (26) für Fischer und nur vier für Scheibner. Da bliebe Platz für einen weiteren Kandidaten, denn 18 Prozent wünschen sich "keinen dieser drei", weitere 21 Prozent wissen es nicht oder machen keine Angabe. (DER STANDARD, Print, 19.11.2001)