Frauenpower, Kraft, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung. Mit Beginn der Neuen Frauenbewegung in den 70er Jahren ist das Frauenzeichen Symbol und Ausdruck derselben, der Feministinnen und Lesben. Dabei war das Zeichen mit der geballten Faust im Kreis die Antwort europäischer Feministinnen auf die Faust der Genossen, welche sich selbst in der 68er Revolution mehr den eigenen machistischen Codes verpflichtet gefühlt haben als ihren Mitstreiterinnen. Die "Frauenfrage" galt ihnen lediglich als "Nebenwiderspruch".

Eine andere Variante des Frauenzeichens findet sich in den zwei sich überschneidenden Symbolen, welche zum einen für die Liebe unter Frauen, zum anderen für das Motto: "Frauen gemeinsam sind stark" und "Think positive. We can do it!" steht.

Logo-Boom

Mit dem Revivel des biologischen Frauensymbols als feministisches Emblem erschien es in den 70ern auf vielen Bucheinbänden feministischer Literatur. Dabei will die amerikanische Feministin Robin Morgan die erste gewesen sein, die das Frauenzeichen auf dem Cover ihres Buches "Sisterhood is powerful" 1970 abgebildet und es damit als Symbol der feministischen Bewegung ins Leben gerufen hat. Faktum ist, dass diese Bebilderung einen Boom auslöste. Bald darauf fand das Frauenzeichen als Logo für die Fischer Taschenbuch-Reihe "Die Frau in der Gesellschaft" Verwendung.

Zeichen der Göttin

Die Geschichte des Frauenzeichens reicht bis ins Neolithikum zurück. Das Symbol galt von jeher als Bild der Großen Göttin. Das Kopfrund auf dem Kreuz sollte eine Figur mit ausgebreiteten Armen versinnbildlichen, wobei die segnenden Arme die Geste der Göttin bzw. Priesterin darstellten, wie auf mannigfachen neolithischen Bildnissen bezeugt ist.

Der Kreis auf der Spitze des Kreuzes wird auch als Vollmond ausgelegt. Und nachdem der Vollmond das Symbol der Liebesgöttin war, erscheint auch diese Interpretation logisch.

"Spiegel der Venus"

Das heute auch biologisch für "Weiblichkeit" stehende Zeichen gilt astronomisch für den Planeten Venus und astrologisch als Signet für den Ischtar- oder Venusstern; folglich heißt das Frauensymbol auch "Spiegel der Venus". Was den RömerInnen die Lebens- und Liebesgöttin Venus, war den GriechInnen die Göttin Aphrodite. Der Spiegel symbolisiert die Weisheit. Schon den ersten Pristerinnen war der Spiegel ein Hoheitszeichen, da er magisches Wissen versinnbildlicht. Den seherischen, prophetischen Aspekt, dem die Frauen aufgrund ihrer direkten Beziehung zum Leben näher betrachtet worden sind. Im Gegensatz zum "Speer und Schild des Mars", dem biologischen Zeichen für Mann, das für Tod steht.

Patriachalisierung

Das Kreuz als bildliche Kurzformel für die Göttin tauchte später in der sumerisch-babylonischen sowie der ägyptischen Sakralkunst als Anch oder Lebenszeichen auf. Und noch heute findet sich das Anch-Symbol als Pallium über dem Messgewand. Zu Beginn des Patriarchalisierungsprozesses wurde das Anch dann auf Osiris, den Unsterblichkeit verbürgenden Vegetationsgott übertragen, bis es später im alles assimilierenden und verkehrenden Christentum zuerst von den Kopten und schließlich als "Zeichen der lebensspendenden Kraft des Kreuzes Christi" – den ursprünglichen Konnex zur Göttin vollkommen ignorierend, angeeignet wurde.

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