Wien - Jetzt, wo das Klimaschutzabkommen endlich in Gang gekommen ist, haben Holzplantagen weltweit Hochsaison. "Aufforstungen gelten als aktive Klimaschutzmaßnahme", sagt Gerhard Glatzel, Professor für Waldökologie an der Wiener Uni für Bodenkultur, "dennoch ist nicht jeder Wald ökologisch wertvoll." Über seine Forschungen berichtet der Wissenschafter heute, Dienstag (11 Uhr), auf dem Kongress "Leben und Überleben" in der Wiener Hofburg. Eine Wirtschaftssparte, die sich für Baumpflanzungen besonders interessiert, ist die Zellstoffindustrie. Sie bevorzugt homogene Rohstoffe, die sich am besten in Plantagen erzielen lassen. Weil aber die westliche Welt den Wert der Biodiversität entdeckt hat, werden die Firmen vermehrt in die Dritte Welt ausweichen. Die freut sich zwar über Investitionen, aber nicht um jeden Preis. Deshalb ist der Rat von Experten wie den Boku-Forschern gefragter denn je. "Wir haben bereits Wiederaufforstungsprojekte in Äthiopien und Thailand wissenschaftlich betreut und dort reichlich Erfahrung gesammelt", berichtet Glatzel dem STANDARD. "Dabei haben wir uns immer auch bemüht, die Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung zu berücksichtigen." Also zum Beispiel untersucht, ob der neue Wald über die Holzproduktion hinaus auch noch als Weide nutzbar war. Oder aufgepasst, dass wasserhungrige Eukalyptusplantagen nicht die Hausbrunnen austrocknen. Friedlicher Wald Doch auch hierzulande ist der Wald noch lange nicht zu Ende erforscht, zum Beispiel die Wechselwirkung zwischen Bäumen und Boden. "Man dachte lange", so Glatzel, "in Mischwäldern würde eine Baumart der anderen den Boden öffnen. Etwa so: Wenn die Wurzel einer tief wurzelnden Baumart abstirbt, kann eine flach wurzelnde hineinwachsen. Aber einer unserer Spezialforschungsbereiche hat kürzlich gezeigt, dass das nicht stimmt." Bei einem Mischwald aus Buchen und Eichen beispielsweise nutzen beide Baumarten unterschiedliche Bodenbereiche zur Wasser- und Nährsstoffaufnahme: Die oberen 20 cm gehören der Fichte, der Bereich darunter großteils der Buche. Denn beide Arten haben unterschiedliche Strategien und Nischen. Die Fichte ist immergrün, sie muss ihre Nadeln lange erhalten, also vor Fressfeinden und Krankheiten schützen. Deshalb macht sie sie hart und vergiftet sie - pumpt Harz und Phenole hinein und überzieht sie mit Wachs. Fallen diese Nadeln ab, werden sie nur langsam umgesetzt. Das heißt, die Fichtenwurzeln können die langsam frei werdenden Nährstoffe ohne Konkurrenten selbst wieder aufnehmen. Wird der Fichtenwald älter, koppelt er sich vollständig von seinem Unterboden ab und versorgt sich selbst. Anders bei der Buche, die ihre Blätter nur ein paar Monate lang braucht. "Ihr Laub ist weich und lecker", sagt Glatzel, "und wird darum schnell aufgefressen." Die Nährstoffe gelangen damit bald wieder tief in den Boden hinein, wo die Wurzeln sie erneut aufnehmen können. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 11. 2001)