Wien - Der konjunkturelle Abschwung, der sich bereits vor dem 11. September abgezeichnet hat, wird nach Ansicht des Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Klaus Liebscher, um einiges stärker ausfallen und die wirtschaftliche Erholung auch länger auf sich warten lassen. 2001 und 2002 werde die Konjunktur der Eurozone eine "Delle" erfahren: Der Euroraum werde nach rund 1 1/2 Prozent in diesem Jahr möglicherweise im kommenden Jahr etwas schwächer wachsen - "das bedeutet aber nicht Rezession", betonte Liebscher am Dienstagabend in einem Vortrag in Wien gemäß Redetext. Für 2003 werde allgemein ein "deutlicher Aufschwung" erwartet, sodass sich das Wachstum wieder dem langfristigen Produktionspotenzial annähere. Die Wirtschaftsabschwächung werde also nur vorübergehend andauern. Auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte am Dienstag erklärt, er könne keine Rezession in Österreich sehen. Alle Prognosen würden auf 1 bis 1,5 Prozent Wachstum für 2001 bzw. 2002 lauten, so Grasser im Radio. Wifo-Chef Helmut Kramer hatte am Montag gemeint, dass die Wirtschaft in Österreich und ganz Europa im 4. Quartal 2001 und im 1. Quartal 2002 gegenüber den Vorquartalen zurückgehen werde, womit das Kriterium einer "Rezession" erfüllt sein werde. Ab dem 3. Quartal 2002 sei dann mit einem Aufschwung zu rechnen, so Kramer. Liebscher sagte weiter, es sei in der heutigen eng verflochtenen Welt unvermeidlich, dass die Wachstumsschwäche der USA und Japans auch das Wirtschaftswachstum Europas und damit Österreichs beeinflusse. Die aktuellen internationalen Prognosen von IWF, OECD und der Europäischen Kommission hätten daher die Wachstumserwartungen nach unten revidiert. Ein Zeichen der hohen Unsicherheit sei, dass dabei die jeweiligen Einschätzungen stark divergieren würden. Im Eurogebiet seien die Fundamentaldaten auf Grund von Politiken, die auf Preisstabilität, Haushaltskonsolidierung, Lohnzurückhaltung und weitere Strukturreformen abzielen, weiterhin durchaus positiv. Es bestehe die begründete Zuversicht, dass die Inflation in der Eurozone auf ein Niveau sinkt, das mit Preisstabilität auf mittlere Sicht vereinbar ist. Der nachlassende externe Preisdruck und die erwartete Fortsetzung der Lohnzurückhaltung würden diese Erwartung stützen. Wesentlich für die weitere konjunkturelle Entwicklung seien in den USA und in Europa das Vertrauen von Konsumenten und Unternehmern sowie Kaufkraft stärkende niedrigere Inflationserwartungen und vor allem eine weiterhin relativ moderate Ölpreisentwicklung. Auch sollte im Euroraum der Stabilitäts- und Wachstumspakt weiterhin konsequent eingehalten werden, betonte EZB-Ratsmitglied Liebscher. (APA)