ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch verteidigt sich gegen interne Kritik. Er sei kein Frühstücksdirektor, den starken Mann spielen wolle er aber auch nicht. Von der Regierung verlangt er Anfang 2002 Antworten auf die Urabstimmung. Die Offenlegung des Streikfonds wäre Anlass für Kampfmaßnahmen. Das Gespräche führte Katharina Krawagna-Pfeifer. Standard: Die beschlossene ÖGB-Reform bedeutet einen Machtverlust für den Präsidenten. Manche vergleichen Sie bereits mit einem Frühstücksdirektor . . . Verzetnitsch: Da ich nicht im Büro frühstücke, ist dieser Vergleich absolut unnötig. Standard: Sie wollten eine andere Struktur. Können Sie nun damit leben? Verzetnitsch: Meine Grundlinie war: eine gewerkschaftliche Betreuung pro Betrieb. Diese Linie wurde klar bestätigt. Standard: Das wundert mich, da nicht Ihr Modell, sondern die Bildung von drei großen Blöcken beschlossen wurde. Verzetnitsch: Es entspricht nicht der Beschlusslage, wenn man von einer möglichen Fusion Metall-GPA spricht, aber auch von möglichen Fusionen in anderen Bereichen. Die GPA ist heute in sich nach Wirtschaftsbereichen gegliedert. Daher wird man nicht um die Gliederung nach Wirtschaftsbereichen umhinkönnen. Die drei großen Blöcke können ja nicht solo für sich agieren. Standard: Stimmt es, dass Sie von den mächtigen Gewerkschaftschefs Rudolf Nürnberger und Hans Sallmutter überrumpelt wurden? Verzetnitsch: Ich wurde kurzfristigst vor dem Beschluss informiert. Standard: Viele sagen, das sei die Retourkutsche dafür, weil Sie Sallmutter in den Rücken gefallen sind. Sie hätten Ihr Modell, das die GPA-Zerschlagung vorgesehen hat, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt präsentiert, als Sallmutter von der FPÖ heftig angegriffen wurde. Verzetnitsch: Die, die das sagen, haben gleichzeitig die Forderung erhoben, es möge sich endlich etwas in der Organisationsreform bewegen. Oft haben sich große Gruppierungen blockiert. Ich habe dann gesagt: Freunde, das geht so nicht. Deswegen dann der Vorschlag. Was Sallmutter anlangt: Er hat mit Solidarität gerechnet und sie erhalten. Sie können weder mir noch der Organisation einen Beweis liefern, dass wir ihn im Stich gelassen hätten. Standard: Liegt das Problem darin, dass der Präsident nur so stark ist, wie ihn die Chefs der Teilgewerkschaften lassen? Verzetnitsch: Der Präsident ist so stark wie die Gewerkschaften insgesamt. Ich lege Wert auf Teamarbeit. Es entspricht mir nicht, ununterbrochen auf den Tisch zu hauen. Standard: Vielleicht sollten Sie es öfter tun? Verzetnitsch: Wäre meine Politik falsch, hätte ich nicht die Zustimmung des Kongresses. Standard: Könnte es nicht sein, dass sich Rahmenbedingungen ändern? Verzetnitsch: Richtig. Doch der ÖGB hat in den vergangenen zwei Jahren sehr deutlich eine andere Politik transportiert. Uns wurde vorgeworfen: Wieso demonstriert ihr? Wieso macht ihr Kundgebungen? Wieso macht der ÖGB eine Urabstimmung? Und die hohe Beteiligung ist ja nicht von selbst gekommen. Standard: Und, was macht der ÖGB damit? Verzetnitsch: Wir verhandeln über jeden einzelnen Punkt. Es wurden sechs Fragen zu politischen Themen gestellt. Der siebente Punkt (Kampfmaßnahmen; Anm.) ist das Werkzeug. Jetzt müssen wir im politischen Bereich weiterkommen - und zwar rasch. Standard: Wann ist "deadline"? Verzetnitsch: Ich setze keine "deadline", erwarte aber im Großen und Ganzen Anfang nächsten Jahres alle Antworten. Standard: Und wenn Sie negativ ausfallen? Verzetnitsch: Über Streiks redet man nicht, sie finden statt. Standard: Die Regierung plant ein neues Vereinsgesetz, durch das der ÖGB gezwungen werden könnte, den Streikfonds offen zu legen. Wäre das ein Casus Belli? Verzetnitsch: Wir werden unter Beachtung der Rechtsnormen Formen finden, damit der Streikfonds das bleibt, was er ist: ein Kampfmittel der Gewerkschaften und nicht ein offenes Waffenarsenal für Gegner. Standard: Also ein Fall für Kampfmaßnahmen? Verzetnitsch: Ja, das kann man sagen. Standard: Fühlen Sie sich als SPÖ-Mandatar von der Verjüngungsdebatte angesprochen? Verzetnitsch: Das ist keine Altersfrage, sondern eine der Gestaltung im Klub. Wir sind nicht in der Regierung und brauchen neue Leute, die sich stärker auf die Opposition einstellen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. November 2001)