Wien - Unter dem Titel Erich Fried Tage ist uns im Verlauf der Jahre schon alles Mögliche begegnet. Der wahllose Konvent prominenter Autoren und Wissenschafter zum Beispiel, ein wenig ergiebiges Hin und Her zwischen Hotel Sacher und Burgtheater. Das ist erfreulich anders geworden, seit sich das Wiener Literaturhaus beteiligt. Was die Internationale Erich Fried Gesellschaft mit der Österreichischen Exilbibliothek beziehungsweise der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur von Donnerstag bis Sonntag dieser Woche im Literaturhaus in der Seidengasse anbieten, ist konzentriertes Nachdenken. Es setzt stets bei Fried an, führt aber weit über ihn hinaus. Der Sinn der Lyrik überhaupt, die Bedeutung des Kulturtransfers in Form der Übersetzung oder das leider gar nicht historische Phänomen der Literatur im Exil sind Themen, die sich im bezeichneten Sinn von Erich Fried ausgehend diskutieren lassen. Je zwei Arbeitskreise präsentieren dazu am heutigen Freitag und morgen, Samstag, in Round-Table-Gesprächen aktuelle Gedanken. Jeremy Adler (London) und St`ephane Moses (Jerusalem) vertreten die Zunft der nachdenklichen Übersetzer (heute, 14.00 Uhr). Ilse Aichinger und Robert Schindel sind als heimische Autoren dabei, wenn anhand von Frieds Roman Der Soldat und das Mädchen erörtert wird, was Fried den "Brand der totgeschwiegenen Jahre" genannt hat: die Nachgeschichte des Nationalsozialismus (am Freitag um 17.00 Uhr). Lyrische Einmischungen in die Politik ab 1945 evaluieren am Samstag (14.00 Uhr) u. a. Doron Rabinovici, Arno Lustiger (Frankfurt), der neue Präsident der Fried Gesellschaft , Rolf Schwendter, und Klaus Wagenbach (Berlin). Am Ende steht der "Rückschluss auf unseren Zustand" mit einem eindringlichen Erinnerungstext der 1916 geborenen Prager Autorin Lenka Reinerová, die ab 1939 vom NS-Regime und ab 1952 vom Stalinismus verfolgt wurde. Am Sonntag (um 11 Uhr) hält Brigitte Kronauer die Laudatio auf den von ihr bestimmten "Erich Fried Preisträger 2001": den von Goethe bis Nietzsche ( Der Hammer des Herrn ) auf die literarische Darstellung historischer Persönlichkeiten spezialisierten hessischen Autor, Journalisten und Filmemacher Otto A. Böhmer. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 11. 2001)