Johann Skocek

Wien - Er kommt auf die Bühne, in einem schrillen Fummel, der die Zeit der Wiener Hippies (für die Kinder: Ende 60er, Anfang 70er) mit den Mitteln einer aktuellen Wiener Kostümschneiderin interpretiert. Die Gitarre hängt an der Hand wie ein Golden Retriever, der sich auf den Spaziergang freut. Der Mann schaut grantig ins Publikum wie ein Wiener, der seinen Hund hasst. In diesem kurzen Augenblick ist Wolfgang Ambros authentischer Wolferl.

Ambros erzählt also in seiner am Donnerstag losgefahrenen neuen Tour von 30 Jahren Ambros, begleitet von seiner Band "Nr. 1 vom Wienerwald", quasi einem Musikerrudel Golden Retrievers: pariert auf Handzeichen, bellt nie zurück, lässt nichts fallen.

An die Wand projizieren sie sprechende Dias: Augenarzt-Buchstabenreihen, wenn Ambros über die Journalistenärsche singt; Bilder von lustig verkleideten und lustig besoffenen Musikern auf Tour; alten Bühnenfotos werden aktuelle Polaroids von Frau Ambros nachgeschoben, auf denen der Wolferl die alten Sachen anhat. Schlank ist er geblieben. Zwischen ihm und den Wienern klafft in des Gasometers "Arena di Verona für Arme" ein Niemandsland, zwei Begeisterte werden von der Security umgehend ihrer Sprühkerzen entledigt.

Was ist passiert? Wann ist der Wolferl abhanden gekommen? War es damals, als der Joesi Prokopetz aufgehört hat, Texte für ihn zu reimen und der Wolferl hinfort seinen zwei Motoren, dem Grant und der Gier, selber Ausdruck verleihen musste? Jetzt ist er wieder am Theseustempel angekommen, dem Nest der Wiener Kiffer- und Künstlerszene. Er sitzt auf der Bühne, die Musiker kommen - in Kostüm! - vorbei und werfen ihm Münzen vor die Füße. Dann ziehen sie sich um, der Wolferl entzündet ein Lagerfeuer - "mach ma's uns gemütlich" - und beginnt endlos und ernsthaft sein Leben chronologisch zu erzählen.

Das ist der Mann, dessen Da Hofa vor 30 Jahren während der Zentrumsparty von einem Kundigen gebracht und unter die Stones gestreut wurde. Heute "reflektiert" er "den Sinn des Lebens", gibt sich "verwahrlost, aber frei", meint "egal, woran du glaubst, vertrau deinem Gewissen". Ernsthaftigkeit, wohin das Ohr hört, Belehrung, Bemühtheit, keine Bilder und Geschichten mehr wie die vom Watzmann, vom lebenden Zentralfriedhof, dem "Gsöchten und sein Mercedes", die nicht einmal Christian Kolonovits ruinieren konnte.

Doch ganz kommt er sich nicht aus, auch wenn er das Publikum fast umbringt mit seiner seltsam unpersönlichen Rederei über sich selbst. Weil die besten Sachen passieren, wie der Augenblick der Empfängnis des Austropop damals: "I miassat jetzt eigentlich schiffen geh, oba i sitz grod so guat."

(DER STANDARD, Print, Sa./So., 1./2.12.2001)