Gedeckelte Solidarität, wie sie in der Krankenversicherung praktiziert wird, ist ein Widerspruch in sich, vor allem aber ungerecht und unsolidarisch. Daher erscheint es auch unlogisch, den oberen Anteil höherer Einkommen bei der Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge (nur um diese, nicht um die Pensionsbeiträge geht es) unangetastet zu lassen. Wichtige gesellschaftliche Dienstleistungen wie Sicherheit und Bildung werden von der Solidargemeinschaft über das Steuersystem gemeinsam finanziert. Dort ist im Gegensatz zur Finanzierung des gesellschaftlich hoch eingeschätzten Gutes Gesundheit das gesamte Einkommen die Berechnungsbasis - es gibt zwar eine steuerliche Höchstgrenze, aber keinen Schutzwall, hinter dem hohe Einkommensanteile unbehelligt bleiben. Nicht so im Gesundheitsbereich. Wer mehr als 44.400 Schilling (3226 EURO) verdient, zahlt trotzdem nur für diesen Betrag Krankenversicherungsbeiträge. Jeder Schilling - demnächst Euro - darüber, bleibt der gesellschaftlichen Solidarität entzogen. Zwar verdienen nur 190.000 ASVG-Versicherte mehr als 44.400 Schilling. Würde aber deren durchschnittliche Bemessungsgrundlage nur um 5000 Schilling angehoben, ergäbe das bereits rund eine Milliarde Schilling zusätzlich für die Krankenkassen. Eine völlige Aufhebung des Grenzwerts brächte fünf Milliarden - bei einem derzeitigen Defizit von drei Milliarden nicht zu verachten. Vor allem aber wäre es ein gesellschaftspolitisch wichtiges Signal der Solidarität. Und jenen Besserverdienern, die bei einer breiteren Beitragsbasis Gelüste nach einem Ausscheren aus dem Solidarsystem verspüren könnten, ließe sich entgegnen: Warum sollen an der Bereitschaft, mehr Geld für Gesundheit auszugeben, eigentlich private Versicherer noch stärker mitverdienen? (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 5.12.2001)