Von Doris Krumpl
Wien - Das Prinzip geht so: Ein Marktplatz in der Vorstadt, viele Autos. Bei der Errichtung einer Tiefgarage wird der Markt derart beeinträchtigt, dass er nach Beendigung der neu gestalteten Fläche entweder zu Tode saniert ist oder überhaupt ganz fehlt. Das nennt man dann ansatzweise schon "Problemzone". Über die Tiefgarage kommt eine schmutzresistente Decke, am Rand vielleicht einige akkurat eingesäumte Baume, gelegentlich etwas Abstandsgrün. Und auf die nun leere Decke kommt Kunst. So geschehen etwa beim Meiselmarkt und kürzlich am Dornerplatz im 17. Bezirk, einer Meisterleistung städteplanerischer Totgeburt, obwohl Passantinnen beim Lokalaugenschein jetzt über diese Platzgestaltung froh seien, denn es hätte ja ausgesehen, "als ob die Russen hier hausten", was immer sie damit meinen. Als EU-Kulturprojekt im Auftrag der Stadt Wien will nun dieses mit sechs Millionen Schilling unterstützte neue Kunstwerk in einer Gegend mit hohem Ausländeranteil ein "aktuelles Zeichen der Toleranz zwischen Kulturen" sein, ein Credo wie andernorts die laue "Bereitschaft zum Dialog". Der von den "Wiener Klangkünstlern sha. & GTT in Kombination mit dem Raumkünstler burkhardt" intendierte "moderne Sakralraum", nichts weniger als ein digitales Stonehenge also, besteht aus 14 (weil EU) EU-blauen (weil sakral) Klangstelen und "vereint Kulturen", indem jede Stele einen Radiosender dieser Erde live wiedergibt. Über den Klängen eines türkischen, irakischen oder eines Shoppingsenders, die man beim Ohrandrücken an die jeweiligen Stelen vernimmt, schufen die Klangkünstler ein vereinigendes Geknarze aus Sinustönen, auch im Internet abhörbar. Der Besucher dieser auf einer Seite komplett geschlossen wirkenden, vom Standpunkt der anderen Seite aus komplett offenen Installation schafft "Eigen-Welt-Raum", wie es großspurig heißt. Die Welt ist alles, was Definition ist. An einem lebendigeren Ort würde dieses Objekt vielleicht passen, hier multipliziert es die Tristesse und Sterilität des Platzes. Kunst kommt nämlich auch von Kontext und ist als Ehrenretterin verhauter Plätze gut genug. Eigentlich findet sich zwischen Likörstuben, Wohnhäusern, Kleingewerbe eine durchgehende, gut zu reinigende Fläche, die die wahren Denkmäler unserer Zeit darauf versammelt: einen Riesenmasten mit Satellitenschüssel, die die Radiosignale für das project ID sammelt, ein mit der Aufschrift "schwuler/ du wickser" versehener Alu-Mistkübel und der verglaste Abgang zur Tiefgarage. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 12. 2001)