Opposition kritisiert die "Gesundbeterei" der Regierung bei Live- Fernsehübertragungen
Redaktion
,
Wien - Zuerst der Kanzler. Mit
"Österreich hat sich erstaunlich gut gehalten". Dann die
Vizekanzlerin. Mit "Österreich steht noch immer gut
da". Botschaften von Wolfgang Schüssel und Susanne
Riess-Passer, die vermitteln
sollten - die Konjunkturlage
ist weltweit schlecht, in Österreich besteht aber kein Grund
zur Sorge. Und optimistische
Botschaften, die via ORF live
übertragen wurden.Die Tele-Demokratie
Kanzler und Vizekanzlerin
haben darin Übung. Nicht
zum ersten Mal hat Mittwoch
die Regierung das Parlament
genutzt, um sich über das Mittel der "Erklärung" ans p.
t.
Fernsehpublikum zu wenden.
Diesmal war es eine "Erklärung" zum Konjunktur-Paket,
im September zum "Wirtschaftsstandort" und zum
"Aktionsplan gegen Terror",
davor zum "familienfreundlichen Österreich". Lauter
schöne Gelegenheiten, selbst
beschlossene Maßnahmen zu
loben - und wann würde das
Fernsehen sonst je 15-minütige Reden von Kanzler und Vizekanzlerin übertragen?
"Diese Regierung setzt das
Instrument Erklärung so offensiv ein wie keine", seufzt
der langjährige grüne Abgeordnete Karl Öllinger. Zwar
sei es fraglich, wie der
Wunsch des ORF nach Liveübertragung zustande komme.
Aber er will nicht nur jammern: "Die steigende Zahl der
mehrstündigen Übertragungen ist auch eine Chance."
Immerhin kommt zwischen
Regierungsmitgliedern - neben Kanzler und Vizekanzlerin sprachen Mittwoch auch
Wirtschaftsminister, Finanzminister, Infrastrukturministerin und Unterrichtsministerin während der Liveübertragung - auch die Opposition zu
Wort. Und kann "Gesundbeterei" (Grüne) oder "Schönfärberei" (SPÖ) der Regierung
geißeln. "Da hängt es dann von
der Kraft der Argumente ab",
hofft SPÖ-Klubchef Josef Cap.
Prinzipiell aber nutze die
Bühne Parlament der Regierung, gibt FPÖ-Abgeordneter
Reinhart Gaugg offen zu: "Bei
so etwas ist die Regierung im
Vorteil. Minister können ungekürzt ihre Botschaften
transportieren." Auch ÖVP-
Generalsekretärin Maria
Rauch-Kallat begrüßt den
neuen Trend zur Übertragung:
"Das gibt uns Gelegenheit, die
Zuseher 1:1 zu informieren."
Show vermasselt
Und das gibt den Regierungsparteien auch Gelegenheit abzuschweifen. Wenn
ohnehin die eigenen Minister
das Konjunkturpaket loben,
können die Klubchefs, wie
Mittwoch, das Thema wechseln und die SPÖ attackieren.
Blöd bloß, dass der ORF am
Mittwoch die Regierungsshow
ein bisschen vermasselt hat -
kam es doch während Riess-
Passers Rede zu Tonstörungen. Zu wichtig war das Event,
als dass die Regierungsparteien die Erklärung des ORF
("schadhaftes Mischpult")
glauben wollten: "Ein Schelm,
wer Schlechtes dabei denkt",
grollte ÖVP-Klubobmann Andreas Khol. Und FPÖ-Klubchef Peter Westenthaler drohte: "Diese Störung wird behoben sein, wenn es endlich zu
einer umfassenden Erneuerung des ORF kommt."
Vielleicht klappt beim
nächsten Mal alles. Denn die
nächste Liveübertragung
kommt bestimmt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 13.12.2001)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.