"Krieg ist vorbei, ein neuer beginnt." Abgesehen von den frühen Einstürzenden Neubauten handelt es sich bei Mutter aus Berlin möglicherweise um die härteste Band Deutschlands. Unvergessen ein Auftritt zum zehnten Todestag von Elvis Presley im August 1987 vor gut 500 Berliner Schmalztollen, ein so genanntes musikalisches Schlüsselerlebnis des Verfassers. Sänger Max Müller hatte damals die wegen zunehmend "unruhiger" werdenden Elvis-Fans gesundheitsgefährdende Idee, nach diversen Jailhouse Rock oder Heartbreak Hotel covernden Rockabilly-Bands mit seinen Musikern zu einem quälend-langsamen 15-minütigen, in jeder Hinsicht brutalen Gitarrenfeedback-Brocken folgenden schönen Satz endlos zu skandieren: "Er ist tot, das Schwein ist tot - und das ist gut so!" Dann wurde der Strom - und anderes - abgedreht. Jahre später, die Musik blieb auf gleichbleibendem Folter-Level, folgten Alben wie das legendäre Debüt Ich schäme mich Gedanken zu haben, die andere Menschen in ihrer Würde verletzen und zum Mauerfall die Anti-Wiedervereinigungshymne Du bist nicht mein Bruder . Vor einigen Jahren verstörten Mutter schließlich mit einer kommerziell ausgerichteten Schlagerplatte, Hauptsache Musik , für die heute Blumfeld verschmäht werden. Und rechtzeitig zur "uneingeschränkten Solidarität mit den USA" folgt nun das neueste Kassengift des Quintetts, Europa gegen Amerika . Darauf finden sich neben den altbekannten Zeitlupenrockern ( Wir waren niemals hier, Spoorlos oder Reifen rollen # # ) dieses Mal auch einige "schöne", teilweise mit Streicherensemble und Orgel aufgeweichte Balladen wie Krieg ist vorbei , Umtrunk oder Heb deine Tränen für jemand anders auf . Der Ansatz bleibt trotz über die Jahre erarbeiteter größerer Zugänglichkeit derselbe: Diese Band will nicht verkaufen, Mutter will konfrontieren. Selbstverständlich handelt es sich bei Mutter um keine moderne Band. Noch nie waren Aufsässigkeit, Aggression und kaltschnäuzige Wut im Pop so wenig angesagt wie heute: "Du bist nicht mein Bruder!" Eine wichtige Platte. Wahrscheinlich hört wieder niemand zu. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 12. 2001)