Straßburg - Mit der Förderung von Frauen und Mädchen in Afghanistan will die Europäische Union das "andere Afghanistan" unterstützen, das eine Alternative zum "Afghanistan der Kriegsherren" bildet. Dies erklärte der EU-Entwicklungskommissar Poul Nielson am Donnerstag in einer Debatte des Europaparlaments in Straßburg. Das EU-Programm ECHO werde sein Büro in Kabul Mitte Jänner eröffnen. Im Rahmen der neuen Hilfsprogramme für Vertriebene, die mit 28,5 Millionen Euro dotiert sind, werde besonders auf die Situation der Frauen und Mädchen Rücksicht genommen. Die afghanische Frauenorganisation RAWA (Revolutionäre Organisation von Frauen in Afghanistan) verdiene tatkräftige Unterstützung der Europäischen Union, versicherte der britische EVP-Abgeordnete Charles Tannock. "Das Wort 'revolutionär' hat mich ursprünglich abgeschreckt. Nach einem Treffen mit RAWA-Vertreterinnen habe ich gemerkt, dass man in diesem Sinne auch mich als 'revolutionär' einstufen müsste", meinte der Konservative. "Die Frauen waren die Hauptleidtragenden der selbsternannten Gotteskrieger", sagte der Deutsche EVP-Abgeordnete Thomas Mann. Jetzt brauchten die Afghaninnen in Parlament und Regierung in Kabul Sitz und Stimme. In einer von sechs europäischen Fraktionen gemeinsam eingebrachten Resolution verurteilen die Abgeordneten die "geschlechtsbedingte Apartheid" unter dem Taliban-Regime, die den Frauen jegliche Identität absprach und "mit einer in der Geschichte beispiellosen Willkür" gegen die Rechte der Frauen verstoßen habe. Nun müssten alle politischen Kräfte die Rolle der Frauen anerkennen. In der neuen Verfassung sollten die Rechte der Frauen uneingeschränkt garantiert werden, und an der konstitutierenden Sitzung der Loya Jirga müsse eine erhebliche Anzahl von Frauen teilnehmen. Bei den Programmen zur Gesundheitsfürsorge, für Berufsausbildung sowie zur Bereitstellung von Unterkünften müsse Frauen und Mädchen uneingeschränkter Zugang gewährt werden, fordern die Abgeordneten. Die internationalen Hilfen für den Wiederaufbau von Afghanistan sollten von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass Frauen in der Entscheidungsfindung und bei der Verwendung der Hilfen beteiligt werden. Die EU und die Geberländer sollten dafür sorgen, dass 25 bis 30 Prozent der Wirtschaftshilfe, die für den Wiederaufbau Afghanistans bereitgestellt wird, unmittelbar den afghanischen Frauen zu gute komme. Schließlich schlagen die Abgeordneten vor, den Internationalen Frauentag am 8. März 2002 zum "Tag der afghanischen Frauen" zu erklären. (APA)