Wien - Ulrich Seidl, einen der derzeit erfolgreichsten und zugleich umstrittensten heimischen Filmemacher, und den aus Wien stammenden Hollywood-Regisseur, Autor und Schauspieler Erich von Stroheim (1885-1957) stellt das Österreichische Filmmuseum ab 10. Jänner mit zwei Retrospektiven einander gegenüber. Beide seien "Wirklichkeitssüchtige", so das Filmmuseum in einer Aussendung, "und von beiden heißt es manchmal, sie seien 'gnadenlos'". "Einige werden sagen, ich hätte die Neigung, das Schmutzige zu sehen. Nein, aber ich spreche auch über das, was sich hinter zugezogenen Vorhängen, hinter verschlossenen Türen abspielt, über das, was die Regeln von Anstand und gutem Ton mit Schweigen zu übergehen wünschen, denn das, was man im Verborgenen tut, erklärt das Verhalten am hellen Tage, und beides lässt sich nicht trennen." Im Zitat von Erich von Stroheim, der sich übrigens zugleich als "eifriger, überzeugter Österreicher alten Stils und eifriger Katholik" bezeichnete, dürfte sich wohl auch Ulrich Seidl erkennen. "Rebell der Wiener Filmakademie" Der Wahlwiener Seidl wurde in den 80er Jahren als Dokumentarist bekannt und als "Rebell der Wiener Filmakademie", die er nach seinem vieldiskutierten Film "Der Ball" (1982) über den Maturaball seiner Heimatstadt Horn vorzeitig verließ. Seidls Filme überschreiten in ihrer erzählerischen, an den Rand der Selbstschau und -entblößung gehenden Direktheit die Grenzen des konventionellen Dokumentarfilms, in ihrer Hyper-Realität untergraben sie die Fiktionalität des Spielfilms. Das Österreichische Filmmuseum präsentiert Seidls Gesamtwerk, von seinem Debüt "Einsvierzig" (über einen Liliputaner, 1980) über seinen Durchbruch mit der Straßen-Zeitungsverkäufer-Studie "Good News - Von Kolporteuren, toten Hunden und anderen Wienern" (1990), "Mit Verlust ist zu rechnen" (1993), "Tierische Liebe" (1995) und "Models" (1998) bis zu "Hundstage" (2001), für den er bei den vergangenen Filmfestspielen von Venedig den Großen Preis der Jury erhielt. "Hundstage" wird Seidl persönlich am 17.1. im Rahmen eines Publikumsgesprächs präsentieren, zusammen mit seinem bisher noch nie gezeigten, unvollendeten Film "Look 84" (1984, mit Sonja Kirchberger und Peter Baumann). Pionier des Stummfilms Von Stroheim werden in der bisher umfangreichsten Retrospektive zu seinem Werk sämtliche erhaltenen Regiearbeiten, darunter erstmals sein einziger Tonfilm "Walking Down Broadway (Hello Sister)" (1932/33) und eine Auswahl von Filmen mit Stroheim als Hauptdarsteller (u.a. Billy Wilders "Sunset Boulevard" (1950) und Jean Renoirs "La Grande Illusion" (1937) gezeigt. Der Sohn eines jüdischen Hutmachers aus Wien-Neubau galt als genialer Pionier des Stummfilms, als obsessiver Regisseur, detailversessener Autor und extravaganter Schauspieler. In seinen Filmen umkreist Stroheim immer wieder mit Hass-Liebe seine Heimatstadt Wien. Er wanderte nach einer gescheiterten Militärlaufbahn in die USA aus, begann seine Karriere als Assistent und Schauspieler bei D. W. Griffith und drehte zwischen 1918 und 1929 Meisterwerke wie "Greed", "The Wedding March", "Queen Kelly", "The Merry Widow", "Blind Husbands" oder "Foolish Wives". Für die Presse und das Publikum wurde er zum "Mann, den man gern hasst". Aber auch Hollywoods Studiodirektoren bekämpften und beschnitten sein Werk. Von 1932 bis zu seinem Tod 1957 in Frankreich konnte er keinen Film mehr inszenieren. (APA)