Wien/Klagenfurt - Im jüngsten Ortstafelstreit gehen die Wogen hoch. "Keine Entscheidung ohne die Kärntner", lautet unisono die Devise der drei großen Landesparteien. FP- Landesparteichef Martin Strutz bezeichnete das VfGH- Erkenntnis als "politische Entscheidung" und warf Nationalratspräsident Heinz Fischer sowie VfGH-Präsident Ludwig Adamovich ein "übles Spiel" vor. Das FP-Präsidium beschloss eine Volksbefragung in Kärnten. Die Frage soll lauten: "Sind Sie dafür, dass mehr zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden?" Die Vorbereitungen beginnen sofort, im Jänner startet die Unterschriftenaktion für die Einleitung der Befragung. Ortstafelfrage "mit Fakten" Strutz will zudem die Ortstafelfrage "mit Fakten", also konkreten Ergebnissen der Volkszählung 2001 oder einer geheimen Minderheitenfeststellung untermauern. In der Volkszählung von 1991 deklarierten sich 21.191 Personen als Slowenen, die Eigenschätzung der Minderheitenorganisationen liegen bei 40.000 bis 50.000 Personen mit slowenischer Muttersprache. Die Ergebnisse der neuen Volkszählung liegen Ende des ersten Quartals 2002 vor. Im Jahr 1972 hätten in 205 Ortschaften zweisprachige topographische Aufschriften angebracht werden sollen - tatsächlich sind es 93 geworden. Von 400 Ortstafeln, von denen FP-Klubchef Westenthaler gesprochen hat, könne keine Rede sein, meint Bernard Sadovnik, Vorsitzender des Rates der Kärntner Slowenen. Es gehe lediglich um 15 bis 20 Gemeinden, der Kärntner Heimatdienst (KHD) spricht von 37 Gemeinden. Landes-SP und -VP lehnen ebenfalls ab SPÖ und ÖVP sind zwar gegen eine Volksbefragung. Die Aufstellung weiterer Ortstafeln, wie sie das VfGH-Erkenntnis einfordert, lehnen sie jedoch ebenfalls reflexartig ab. Zuerst müsse am runden Tisch ein Dreiparteienkonsens mit Vertretern der Volksgruppe für eine verfassungskonforme Umsetzung ausgehandelt werden. VP-Chef Georg Wurmitzer will das gesamte Volksgruppenpaket (Schulfrage, Kindergärten, Amtssprache, Medien, Kulturförderung) im Zuge der Novellierung des Volksgruppengesetzes von 1976 neu verhandeln. In Wien traf Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Montagnachmittag mit VfGH-Präsident Adamovich zusammen. ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat betonte, dass die Aufhebung der Ortstafelregelung für ihre Partei "selbstverständlich" gelte. Dass es zu Konflikten in der Regierung kommen könnte, glaube sie nicht. "Machtwort" von Schüssel gefordert SP-Geschäftsführerin Andrea Kuntzl forderte Schüssel auf, ein "Machtwort" zu sprechen und das Verfassungsurteil außer Streit zu stellen. Die grüne Migrationssprecherin Terezija Stoisits meinte, es sei nun an Schüssel, den Beweis zu erbringen, dass Österreich ein Rechtsstaat sei und durch die Verfassung garantierte Rechte von Minderheiten respektiert würden. (stein, kob/DER STANDARD Print-Ausgabe, 18.12.2001)