Da tauschte der Schriftsteller seine amerikanische Staatsbürgerschaft samt Offiziersrang gegen ein Asyl in der DDR. Die war arm, dem Diktat der SED unterworfen und schon damals vom Auswanderungswunsch wachsender Bevölkerungsteile gezeichnet. Noch krasser wirkte Heyms Starrsinn nur am 4. November 1989: Bei einer Rede im Rahmen der Wende-Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz glaubte er ernsthaft noch immer an "eine künftige, bessere, endlich richtige DDR".
Vermeintliche Blindheit
Stefan Heyms vermeintliche Blindheit, von manchen auch etwas schmeichelhafter als Blauäugigkeit bezeichnet - sie ist bei genauerer Beurteilung freilich nichts anderes als das Resultat der konsequenten Anwendung einer politischen Grundthese.
Sie besagt, dass die Überwindung des Faschismus nur im Sozialismus möglich ist. Wenn das Denken in einem derartigen Rot-Braun-Schema auch der heutigen politischen Realität nicht mehr angemessen erscheint, man muss Stefan Heym zugute halten, dass seine Lebenserfahrung es ihn gelehrt hat. Wie übrigens, von Manès Sperber bis Heinrich Böll, in variierender Ausprägung auch andere bedeutende Autoren.
Ganz heraußen ist schließlich auch noch nicht, wie einmal zu beurteilen sein wird, was Stefan Heym bis zuletzt in Aussagen wie dieser beschwor: "Wenn man ihnen" - er meinte die Menschen im Osten - "nicht eine demokratische Lösung anbieten kann, eine linke Lösung, dann werden sie nach rechts gehen, werden wieder dem Faschismus folgen."
Und jedenfalls hat die Kehrseite der Unbeirrbarkeit, mit der Heym seinen Idealsozialismus vertreten hat, der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts epische Beachtlichkeiten wie den Roman Collin (1979), Der König David Bericht oder Schwarzenberg beschert, und der DDR den seinerzeit meistgefürchteten Kritiker.
"Geistig präsent, vorlaut wie immer"