Silvester Stallone ist so weit bekannt. Aber viel hilft das nicht, einem Fest auf die Schliche zu kommen, das mehr als viele andere Erfindungen der Katastrophe zuneigt, im besten Fall einer schwankenden Bilanz. Ein zweiter Silvester - wenn man den Heiligen, der vielleicht eine Erfindung ist, auslässt - lief mir öfter über den Weg: Er war dünn, schlacksig und wirkte meistens gehetzt. Wäre man auf das Gegenteil einer Institution aus gewesen, so hätte man ihn finden müssen.Er hieß und heißt vermutlich noch immer Silvester Ribisel, war Masseur und jagte durchs salzburgische Dorf. Er fand kaum Zeit zu grüßen. Er musste genügend Kunden haben und entsprach dort eher dem unglaubwürdigsten und unbeweglichsten Fest des Jahres, Silvester fiel immer auf den 31. Dezember, da war nichts zu machen. Auf alten Fotos wirken Gastgeber und Gäste überhitzt und in einem Amusement festgerammt, das nicht reicht. Für kein vergangenes Jahr und noch weniger für irgendein kommendes. Diese Feste endeten auch meistens abrupt. Nicht dass sich jedes Mal der Christbaumhändler unauffällig unter die Gäste gemischt und sein Geld verlangt hätte. Die Stimmung flackerte auch ohne ihn. Das Fest kam mühsam in Schwung und uferte rasch aus. Der Punsch war kaum halb getrunken, als es versackte, wieder hochkam, durchdrehte und, von gut gemeinten Beschwichtigungsversuchen in Raserei versetzt, kaum noch eine Chance, es wieder ins Lot zu bringen, in ein Maß, das es noch einmal auffing. Draußen, nahe der nicht einmal neugotischen Herz-Jesu-Kirche, blitzten kleinere Feuerwerke auf und beleuchteten das verlassene Schulhaus auf der anderen Straßenseite. Knallkörper knatterten, ein Fenster sprang auf, man hörte Gelächter: Und noch immer hatte sich das alte Jahr nicht entschlossen, den Weg für neue Unglaubwürdigkeiten freizugeben, für den Neujahrsspaziergang, den knirschenden Schnee unter den Schritten, früh umrissenere Ziele als bisher. War keine neue Alternative in Sicht: Gehaltsaufbesserung, Mord und Totschlag und das Dreikönigssingen? Was sollte noch werden bis zu Maria Lichtmess am 2. Februar? Sollte das Licht wirklich nun täglich um einen Hahnenschrei zunehmen, ehe es zu blenden begann? Von wem würde man wieder den "guten Rutsch" an den Kopf geknallt bekommen? Und woher sollte man die Geduld nehmen, um auch die unausdenkbarste Wahrscheinlichkeit zu erwarten? DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 28.12.2001