EU
Deutsche Europa- Ministerin warnt vor "babylonischer Sprachverwirrung"
Ergänzung um 10 Sprachen durch Erweiterung stelle Funktionsfähigkeit der EU in Frage
Düsseldorf/Brüssel - Die nordrhein-westfälische Europa-
Ministerin Hannelore Kraft hat im Zusammenhang mit der Erweiterung
der Europäischen Union vor einer babylonischen Sprachverwirrung in
der EU gewarnt. "Wenn mit dem Beitritt der osteuropäischen Länder die
derzeit 11 Amtssprachen voraussichtlich um 10 neue Sprachen ergänzt
werden, stellt das die Funktionsfähigkeit der EU in Frage", sagte die
SPD- Politikerin am Freitag in einem dpa-Gespräch. Die Europäische Union will an umfassenden Übersetzungen in alle
Amtssprachen festhalten. Dokumente, Reden und Sitzungsprotokolle
sollen auch nach dem Beitritt neuer Kandidaten im Jahr 2004 in allen
offiziellen Sprachen vorliegen. Dann wären wahrscheinlich auch
Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Ungarisch, Slowenisch, sowie
Lettisch, Estnisch und Litauisch gefragt, spoäter auch Rumänisch und
Ungarisch.
Aufwand und Kosten enorm
Die Ministerin verwies auf den enormen Aufwand und die Kosten, die
damit für die Bürger entstehen. Derzeit arbeiten rund 2000 Übersetzer
und Dolmetscher für die EU-Kommission. Diese Zahl soll nach Plänen
der Brüsseler Behörde um 1500 aufgestockt werden. Auch beim
EU-Parlament werden voraussichtlich 1200 neue Übersetzer benötigt.
Schon heute geben alle EU-Organe insgesamt 800 Millionen Euro für
diese Dienste aus. "Künftig würde das fast eine Verdoppelung der
Kosten bedeuten", sagte Kraft. "Das ist Europas Steuerzahlern nicht
mehr zu vermitteln." Die Ministerin warnte vor einer zunehmenden
Europa-Verdrossenheit.
Auch in der Praxis sieht die Ministerin handfeste Probleme mit 21
Amtssprachen. Bei kleinen Konferenzen auf europäischer Ebene würde
die Zahl der Dolmetscher künftig die Zahl der Konferenzteilnehmer
übersteigen, fürchtet Kraft. Bei der Übersetzung würden zudem Fehler,
Sinnverluste und Ungenauigkeiten zunehmen.
Kraft forderte die EU-Institutionen dazu auf, die Sprachenpolitik
zu reformieren. "Die EU muss sich auf die fünf Sprachen
konzentrieren, die am häufigsten in der EU gesprochen werden. Nur das
ist praktikabel", schlug die Ministerin vor. Diese Sprachen seien
Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Deutsch sei
mit 90 Millionen Bürgern die am häufigsten gesprochene Muttersprache
in der EU. Die von einigen geforderte Konzentration der EU auf eine
einzige Sprache, nämlich das Englische, lehnte Kraft als zu
weitgehend ab. (APA/dpa)