Die Jahreszeit verführt gemeinhin dazu, alten Lastern abzuschwören, private Bilanz zu ziehen und mit guten Vorsätzen auf die nächsten zwölf Monate zu blicken. Auf die Regierung angewendet, ist bei der FPÖ ein Vorhaben ziemlich klar ersichtlich. Es lautet: Abgrenzung vom Koalitionspartner. Die Schüssel-Ablösedrohungen durch den Vorarlberger FP-Chef Hubert Gorbach und der "Bremsklotz"-Vorwurf an die ÖVP von Thomas Prinzhorn - seines Zeichens FP-Spitzenkandidat der letzten Nationalratswahlen - zeigen beispielhaft, wohin der Weg geht. Er wird wohl noch stärker als bisher zweigeteilt sein - hie bemühte Konstruktivität `a la Finanzminister Karl-Heinz Grasser, dort die grobschlächtige, ewige "Oppositions"-Partei, die für sich in Anspruch nimmt, das Ohr am Volk zu haben.

Umfragen zeigen, dass diese Doppelstrategie gar nicht aufgeht und beiden Regierungsparteien auf den Kopf fällt. Die Österreicher sind ja bekannt harmoniebedürftig. Jörg Haider wird - lasst uns wetten - trotzdem sein altes Laster beibehalten, dem Populismus niemals zu widerstehen. Dazu gehört auch, Ressentiments gegen die EU-Osterweiterung zu schüren. Drohgebärden gegen die ÖVP werden an der Tagesordnung bleiben, sind aber wegen mangelnder Koalitionsalternativen der FPÖ nicht weiter ernst zu nehmen.

Geht das Temelín-Volksbegehren schlecht aus, könnte die FPÖ als Ablenkungsmanöver eine Regierungsumbildung vornehmen. Monika Forstinger, Reinhart Waneck, aber auch Herbert Haupt gelten als mögliche Auswechslungskandidaten.

Kanzler Wolfgang Schüssels Vorsatz kann daher nur lauten, weiterhin Oberhand im wüsten Rodeo der Koalition zu behalten. Schüssel ist Ass im Ärmel der ÖVP und gleichzeitig ihr Problem: Denn die Kanzlerschaft deckt zu, dass die Partei nicht weniger ramponiert als die SPÖ da-steht. Es gibt große Nachwuchsprobleme, das Image der ÖVP gilt als ländlich-sittlich-unmodern, die Mobilisierungskraft ist vor allem in städtischen Bereichen schlicht unterm Hund.

Trotzdem gibt es aus der Parteizentrale keine Anzeichen für einen Reformschub. Die Vorsätze der ÖVP lauten vor allem: der seriösere Regierungspartner zu sein und auf keinen Fall irgendwelche internen Scharmützel zu führen. Die Partei zeigt sich diszipliniert wie nie zuvor. Solange man in dieser schwierigen Regierungskonstellation verharrt, wird dies voraussichtlich so bleiben.

Anderweitige Schlachtfelder gibt es ohnehin zur Genüge: So ist die Befriedung Hans Dichands wegen Aussichtslosigkeit in der ÖVP kein Thema. Seine Sympathie für Schüssel dürfte in letzter Zeit kaum gestiegen sein. Der Kro- ne-Chef konnte trotz eindeutiger Appelle an die Stiftungsräte seinen Lieblingskandidaten für die ORF-Spitze - Gerhard Weis - nicht durchsetzen. Krieg mit der Krone ist jedoch eine schwierige Vorgabe für die nächste Wahl.

2003 wird zu den Urnen gerufen - als Termin steht vorläufig der 28. September fest. Im Grunde hat die Regierung damit nur noch ein Jahr Zeit, ernsthaft Politik zu machen. Da steht noch einiges an: der Ausbau der Schiene zum Beispiel, das Roadpricing, die Finanzierung des stetig teurer werdenden Gesundheitswesens, eine noch heftig umstrittene Universitätsreform, die "Abfertigung neu", die Umsetzung der Verwaltungsreform und auf europäischer Ebene Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten.

An eine weitergehende Pensionsreform - wie von vielen Experten gewünscht - wird offensichtlich nicht gedacht. Bei der Verwaltungsreform geht man sogar - befristet - den grundsätzlich verkehrten Weg und schickt Menschen früher in Pension, um den angestrebten "schlankeren Staat" zu verwirklichen.

Und die Steuerreform? Sie wird samt der versprochenen Senkung der Lohnnebenkosten zwar voraussichtlich diskutiert, aber erst vor dem Wahltermin fixiert. Dann geht es nämlich schon um die Neujahrsvorsätze für 2003. Und die lauten: Wahlzuckerl, Wahlzuckerl, Wahlzuckerl . . .

(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 29/30. 12. 2001)