Schön, wenn etwas nicht klappt. Typisch für eine Kolumne oder Reportage, geschrieben von dem vierunddreißigjährigen, in Berlin lebenden Dramatiker Moritz Rinke, ist, dass es am besten ist, wenn nichts wie am Schnürchen läuft. Der Trick: Das Symptomatische wird über das Scheitern erzählt. Für Theater heute sollte Rinke ein Gespräch mit dem damaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann führen. Über Telefonate mit dem "Naumann-Büro" ist Rinke aber nie hinausgekommen. Einmal hätte er Naumann aus der Ferne bei einer Gondelfahrt über den Wörlitzer Seen beobachten können. Geht aber schlecht als Interview. Rinke verfolgt also in diversen Medien, mit welchem Tempo und Terminüberschuss Naumann durch Europa tourt, eine Ausstellungseröffnung in Bonn, eine "Evita"-Premiere in Hersfeld, ein Karl-Kraus-Symposion in Prag. Bei den Georg-Friedrich-Händel-Festspielen schwärmt der Hochgeschwindigkeitskulturbeauftragte Naumann über die Stille im Werk Händels. Ausgerechnet über die Stille! Weiter Funkstille herrscht auch zwischen Rinke und Naumann. Das in Auftrag gegebene Gespräch findet nie statt, dafür führt Rinke ein gewitztes Tagebuch über seine vergeblichen Versuche und erzählt so mittels Naumann über unsere rasant beschleunigte Welt. Am Schluss ruft Rinke bei Naumann privat an, um zumindest dessen Stimme am Anrufbeantworter zu hören, schließlich weiß er ja - Naumann ist nicht zu Hause. Rinkes Stil ist von einer lockeren Eleganz, sein Zugang jungenhaft keck. Mal schauen, was passiert. Er schreibt im Auftrag von Sigrid Löffler ("Frau Löffler, der sagt man auch nicht einfach ab") über Berliner Szenekneipen "In Berlin in der Torstraße gibt es das Kaffee Burger und das Kaffee Burger ist Kult, das sagen alle." Würde gerne an seinem Stück weiterarbeiten (die Nibelungen), muss sich aber telefonisch mit der Mehrwertsteuer für seine Honorare herumschlagen. Rinke ist auch im wirklichen Leben als Dramatiker zumindest im Moment sehr gehypt (zuletzt: Republik Vineta). Mit der Welt des Theaters muss irgendwann im Bremen der 70er Jahre ein Erstkontakt stattgefunden haben. Seine Mutter ist mit dem Kärntner Choreographen Johann Kresnik eng befreundet, der damals gerade das Tanztheater revolutionierte. Kresnik hat öfter mal auf den Jungen aufgepasst, ihn ins Theater mitgeschleppt, wenn es nicht gerade wichtiger war, gemeinsam Fußball zu spielen. Als Moritz Rinke sich später an der Berliner Hochschule der Künste bewerben will, klappt es erst mal nicht. Ebenso wenig in Hamburg bei Jürgen Flimm auf der Theaterregieschule. Nichts läuft, wie es soll. Rinke braucht mehrere Anläufe. Mittlerweile gibt es ein geflügeltes Wort über ihn, das von dem Theaterdenker Ivan Nagel stammt, der schwärmt, Rinke sei "zum Sehen geboren, zum Schreiben bestellt". Man könnte aber auch sagen: "Rinke ist zum Durchfallen bestellt, letztendlich aber zum Durchbruch geboren." (Von Karin Cerny - DER STANDARD, Album, 29.12.2001)