Madrid/Wien - Noch kann sich die Regierung in Madrid im Glanz der Eurobargeld-Einführung sonnen, die mit dem Beginn der halbjährigen spanischen EU-Ratspräsidentschaft zusammenfällt. Doch schon bald beginnt wieder die Brüsseler Kleinarbeit: Unmengen offener europäischer Dossiers müssen die Spanier weiter verwalten. Nicht alle begeistern José María Aznar so wie die gemeinsame Terrorbekämpfung, von der sich der konservative Ministerpräsident Vorteile gerade für sein eigenes Land verspricht, das schon lange unter dem Terror der Eta zu leiden hat.

Nachteile sieht Madrid demgegenüber mit der EU-Erweiterung auf sich zukommen. "Die spanischen Regionen werden nicht reicher durch die Tatsache, dass ärmere Länder in die Europäische Union eintreten", lautet die Botschaft, die Aznar seit Monaten predigt. Spanien fürchtet, dass es künftig, rein rechnerisch auf den EU-Durchschnitt bezogen, als so wohlhabend gilt, dass es kaum noch Anspruch auf Mittel aus den Kohäsions- und Strukturfonds der Union hätte.

Ironie

Fest steht, dass 1986 das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Spanier noch 72 Prozent des europaweiten Mittels betrug, heute aber bereits über 83 Prozent. Zu verdanken hat Spanien dies nicht zuletzt den Förderungen aus den Kassen der europäischen Solidargemeinschaft, auf die nun auch die Neumitglieder hoffen dürfen. Dass nun gerade unter spanischem Vorsitz die Verhandlungen mit den Kandidaten über die EU-Strukturfonds beginnen, entbehrt also nicht der Ironie.

War es doch vor knapp einem Jahr gerade Madrid gewesen, das die Erweiterungsverhandlungen mit einem Junktim verzögerte: Dem deutschen und österreichischen Wunsch nach siebenjährigen Übergangsfristen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Dienstleistern aus den Beitrittsländern wollte Spanien nur nachgeben, wenn zugleich die Mittel aus den EU-Strukturfonds unvermindert weiter nach Spanien flössen.

Am Ende musste Aznar zwar einlenken. Er erzwang aber die offizielle Erklärung der EU-Staats- und Regierungschefs, wonach Vereinbarungen, die im Laufe der Erweiterungsverhandlungen erzielt werden, erst dann als endgültig zu betrachten sind, wenn eine Gesamteinigung erzielt worden ist. Anders gesagt: Über die Strukturfonds ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen.

Die Rolle als Motor und Moderator, die ein EU-Vorsitzland während seiner "Amtszeit" zu spielen hat, kommt Madrid hier denkbar ungelegen. Schließlich möchte Aznar in dieser Frage massiv die eigenen Interessen vertreten. Sein Außenminister Josep Piqué bemühte sich daher auch schon im Dezember, alle Hoffnungen darauf zu zerstreuen, dass das Verhandlungskapitel Strukturfonds noch unter den Spaniern geschlossen werden könnte.

Dabei betont die Regierung in Madrid freilich, dass sie eine große Befürworterin der EU-Osterweiterung sei. Hier kann sie sich laut der letzten Eurobarometer-Umfrage sogar auf 61 Prozent der Bürger stützen (in Österreich nur 46).

Wirkliche Akzente setzen wird Spaniens EU-Ratsvorsitz nach eigener Ankündigung aber dennoch in zwei anderen Regionen: im Mittelmeerraum und in Lateinamerika.

(DER STANDARD, Printausgabe, 3.1.2002)