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Elisabeth Gehrer
Der kürzlich veröffentlichte Kulturbericht 2000 verdeutlicht, was Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in einer Presseaussendung zu beschönigen versuchte: Das Kunsthistorische Museum verlor binnen zweier Jahre 455.000 Besucher. Anders als im Kunststaatssekretariat kam es hingegen zu keinen Kürzungen: Gehrers Kulturbudget wuchs auch im Jahr 2000.
Von Thomas Trenkler
Wien - Eine knappe Woche vor Weihnachten, am 18. Dezember, legte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) dem Ministerrat den blassblauen Kulturbericht über das Jahr 2000 vor. Druckfrisch zwar, aber längst veraltet. Denn in diesem heißt es unter anderem: "Das Leopold-Museum wird am 22. 9. 2001 eröffnet werden." Und selbst das Datum ist falsch: Tatsächlich wurde das Moderne-Museum am 21. September eröffnet. Kinkerlitzchen. Wesentlich ist doch nur, wie viel Geld der sparwütige Bund seinen Museen, der Nationalbibliothek, der Stiftung Leopold und dem Denkmalamt, also all den Institutionen, die bei Gehrer ressortieren, zur Verfügung stellte. Und da bewies die Ministerin, dass man sich nicht unbedingt - wie ihr Parteikollege Franz Morak, der Staatssekretär für Kunst - dem eisernen Willen zur Budgetkürzung unterwerfen muss: Die Ausgaben für den Bereich Kultur stiegen auch im Wendejahr. Um knapp 50 Millionen Schilling (3,63 Mio. EURO) gegenüber 1999. Ein respektables Ergebnis zeitigt auch der Blick zurück über einen längeren Zeitraum: Zwischen 1997 und 2000 wurde der Kulturetat von 68,75 Millionen Euro auf deren 91,35 angehoben. Die Ausgaben für die Kunstförderung hingegen, die bis ins Jahr 2000 in der Zuständigkeit der SPÖ war, stagnierten - und erlebten unter Morak, wie berichtet, massive Einbussen. Doch auch bei Gehrer ist nicht alles Gold, was glänzt, und schon gar nicht bei Wilfried Seipel, dem Direktor des Kunsthistorischen Museums, auch wenn dieser am liebsten Gold (derzeit der Pharaonen) im Lichte der Scheinwerfer zum Glänzen bringt. Denn die Realität, nachzulesen im Kulturbericht, ist eben anders, als sie Gehrer via Presseaussendung darzustellen versucht. Interesse gestiegen? So erklärte die Ministerin wörtlich: "Das Interesse an den österreichischen Museen ist weiter gestiegen." Mit Nachsicht wirklich aller Taxen kamen die Bundesmuseen im Jahr 2000 auf 2,66 Millionen Besucher. 1991 waren sie auf 2,82 Millionen gekommen, 1993 auf 2,86 Millionen, 1996 auf 2,81 Millionen, 1998 auf 2,92 Millionen. Wieso also nahm das Interesse der Besucher "weiter" zu? Es nahm lediglich gegenüber 1999 zu. Minimal: Man zählte rund 50.000 Besucher mehr. Doch erstmals seit einer Dekade war das Technische Museum wieder ganzjährig geöffnet, was sich logischerweise mit einem Besucherplus von 41 Prozent gegenüber 1999 zu Buche schlug. Und die Österreichische Galerie vermochte um knapp 100.000 Besucher mehr als 1999 anzulocken - dank der Sonderausstellung Klimt und die Frauen , die werbewirksam mit einem Raubkunst-Gemälde warb. Weil zudem das Naturhistorische Museum brillierte (mit einer Besuchersteigerung von 9,7 Prozent), muss es umgekehrt auch herbe Besucherrückgänge gegeben haben. Und die hat es. Beispielsweise in der Albertina, die aufgrund der Renovierung die Ausstellungstätigkeit komplett einstellte: Im Jahr 2000 wurden um 51,8 Prozent weniger Besucher gezählt. Das klingt zwar enorm, ist aber eine eher vernachlässigbare Größe von 16.850 Personen. Der Konzern Kunsthistorisches Museum (mit Palais Harrach, Lipizzaner-Museum, Schatzkammer, Wagenburg etc.) hingegen verlor 122.900 Besucher. Generaldirektor Wilfried Seipel unterbot damit eindrucksvoll das bisherige Katastrophenjahr seiner Ära: Schon 1999 hatte er 332.000 Besucher verloren. Binnen zweier Jahre schwanden also deren 455.000. Der Rückgang von 1,60 auf 1,15 Millionen beträgt somit 28,3 Prozent. Bei Gehrer gilt Seipel aber nach wie vor als Macher: Sie gestattete ihm den Takeover des Theater- und des Völkerkundemuseums mit 1. Jänner 2001. Sie akzeptierte eine Anhebung der Subvention für das Kunsthistorische Museum von 13,73 auf 14,35 Millionen Euro im Jahr 2000, obwohl die Basisabgeltung für die Bundesmuseen eigentlich "gedeckelt" gewesen sein sollte. Und in ihrer Presseaussendung vom 18. Dezember wurden die Besucherrückgänge des Kunsthistorischen Museums ziemlich beschönigend als "leichte" bezeichnet. Effizienz gesteigert? Zusammenfassend ließ Elisabeth Gehrer verlautbaren, dass sich die in die Neuorganisation der Bundesmuseen gesetzten Erwartungen, die unter dem Motto "Dezentralisierung, Verselbtsständigung, Effizienzsteigerung" stünden, "erfüllt" hätten. Doch auch diese Jubelmeldung ist anzuzweifeln. Denn wenn dem so wäre, hätte das Theatermuseum ausgegliedert eigenständig bleiben können (wirtschaftlich hätte nichts dagegen gesprochen, so ein Gutachten). Zudem hätte Gehrer nicht einer neuen Zentralisierung in Form einer Machtkonzentration auf Seipel zugestimmt. Und die Effizienzsteigerung ist noch nicht wirklich ablesbar: Der Zuschuss pro Besucher, der zwischen 1997 und 1999 von 15 Euro auf deren 24,5 gestiegen war, fiel im Jahr 2000 um mickrige 14 Cent. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 1. 2002)