Wien - Drei Wochen Angriffe des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (F) und Dementis des VfGH-Präsidenten Ludwig Adamovich - unterbrochen durch die Weihnachtsfeiertage - sind dem heute, Montag, veröffentlichten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vorausgegangen, kein Amtsenthebungsverfahren gegen Adamovich einzuleiten. Die wichtigsten "Stationen" der von Haider nach dem Ortstafel-Erkenntnis bis zur Rücktrittsforderung eskalierten Auseinandersetzung:

  • 13. 12. 2001: VfGH-Erkenntnis zur Ortstafelregelung: Die entsprechende Bestimmung im Volksgruppengesetz wird aufgehoben, dem Gesetzgeber ein Jahr zur Reparatur zugestanden. Zweisprachige Ortstafeln müsse es schon bei mehr als zehn Prozent Volksgruppenangehörigen geben, nicht erst bei 25 Prozent. Haiders erste Reaktion: Das Erkenntnis sei eine "vorverlegte Faschingsentscheidung", er werde es nicht umsetzen. Der VfGH habe bewiesen, dass er ein politischer Gerichtshof sei.
  • 14. 12.: Haider kündigt eine Volksbefragung an und greift Adamovich an: Der VfGH-Präsident habe es abgelehnt, mit der Kärntner Landesregierung im Vorfeld über das Ortstafel-Erkenntnis zu sprechen, "wohl aber hat Adamovich den slowenischen Staatspräsidenten Milan Kucan empfangen". Adamovich reagiert noch gelassen, er nennt die Vorwürfe "Unwahrheit" und meint: "Diese Aussage spricht für sich selbst. Ich sage zu all dem nichts."
  • 17. 21.: Haider fordert Adamovich zum Rücktritt auf - weil der VfGH-Präsident über sein Gespräch mit Kucan die Unwahrheit gesagt habe. Adamovich zeigt daraufhin "maßlose Verärgerung, aber keinerlei Schuldgefühl". Ein Rücktritt wäre "derzeit das Erste, was ich machen würde, wenn es nach meinen Emotionen geht. ... Aber ich denke nicht daran, das zu tun - weil man das als Beweis auslegen würde, dass etwas nicht in Ordnung ist."
  • 18. 12.: Unterschiedliche Reaktionen aus der FPÖ: Klubobmann Peter Westenthaler unterstützt Haiders Rücktrittsaufforderung, Parteichefin Susanne Riess-Passer nicht. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) betont, dass die Entscheidung des Höchstgerichts "selbstverständlich zu akzeptieren ist" und kündigt eine "Konsenskonferenz" im Frühling an. Haider äußert einen weiteren Vorwurf: Adamovich habe als damaliger Leiter des Verfassungsdienstes beim Bundeskanzleramt maßgeblich am Volkgsruppengesetz 1976 und an der Topographie-Verordnung 1997 mitgearbeitet, das jetzt unter seiner Präsidentschaft aufgehoben worden sei.
  • 19. 12.: Adamovich stellt klar, das ein VfGH-Mitglied nur durch einen Spruch des Gerichtshofes selbst abgesetzt werden kann - und sagt: "Wenn der Herr Landeshauptmann der Meinung ist, dass in meiner Person einer dieser gesetzlichen Tatbestände für die Amtsenthebung vorliegt, so möge er es bitte öffentlich sagen. Ich werde dann sofort den Generalprokurator verständigen." Haider antwortet prompt: Er wirft dem VfGH-Präsidenten vor, sich "unwürdig und unpatriotisch" verhalten zu haben. "Unwürdiges Verhalten" ist ein gesetzlicher Amtsenthebungsgrund. Er greift den gesamten VfGH - "kein ordentliches Gericht ist, bei dem die Weisungsfreiheit verwirklicht ist" - und fordert einen neuen Bestellungsmodus für Verfassungsrichter. Daraufhin kündigt Adamovich die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens an, zuständig ist Vizepräsident Karl Korinek. Wobei er betont: Die Vorwürfe Haiders "sind von A bis Z falsch". Zurücktreten will er nicht: "Das wird jetzt durchgestanden." Haiders Kommentar: Das Amtsenthebungsverfahren werde "ausgehen wie das Hornberger Schießen. Dort wird nichts herauskommen."
  • 20. 12.: ÖVP-Klubobmann Andreas Khol spricht von einer "kleinen Krise", stellt sich hinter den VfGH und erklärt: "Was die Richterbestellung betrifft, sehe ich keinen Veränderungsbedarf." Bundespräsident Thomas Klestil wird aktiv: Er empfängt Schüssel und Adamovich zu Gesprächen, telefoniert mit Haider.
  • 21. 12.: Kucan bestätigt: Bei dem Gespräch am 6. November mit Adamovich seien Fragen, die Entscheidungen des österreichischen VfGH betreffen, nicht erörtert worden, weder bereits gefällte Urteilssprüche noch anstehende. Schüssel stellt sich hinter Adamovich: Er kenne diesen "seit vielen vielen Jahren als erstklassigen Juristen, unabhängigen und wahrhaft unbestechlichen Präsidenten des VfGH". Klestil mahnt, den Rechtsstaat nicht zu gefährden, die Überparteilichkeit der Höchstgerichte außer Streit zu stellen und diese aus der Parteipolitik herauszuhalten.
  • 27. 12.: Haiders Stellungnahme langt beim VfGH ein. Er legt in 13 Beilagen zur Untermauerung seiner Vorwürfe vorwiegend Presseaussendungen und Zeitungsberichte vor.
  • 5. 1. 2002: Die zwölf Verfassungsrichter und Vizepräsident Karl Korinek - er hat den Vorsitz - entscheiden in einer nicht-öffentlichen Sitzung, kein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Die Entscheidung wird am Montag, 7. Jänner, veröffentlicht.
  • 7. 1.: Der Beschluss des VfGH wird veröffentlicht. Adamovich meint in einer ersten Reaktion, die Entscheidung hätte gar nicht anders ausfallen können, " weil es keine Unterlagen geben kann, die man gegen mich verwenden kann". Haider wirft den Verfassungsrichtern eine "Flucht aus der Verantwortung" vor. Der Beschluss sei nicht überraschend gekommen, sei jetzt aber Anlass dafür, eine grundlegende Reform des Verfassungsgerichtshofes einzuleiten. (APA)