Wien - Das Defizit der österreichischen Krankenkassen ist nach einem Negativ-Rekord im Jahr 1999 in den vergangenen Jahren wieder rückläufig. Hat das Defizit damals 257 Millionen Euro (3,539 Milliarden Schilling) betragen, waren es ein Jahr später 231 Mill. Euro (3,174 Mrd. S). Die endgültigen Zahlen für das Vorjahr werden erst im Februar vorliegen. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger rechnet mit einem Abgang von 233 Mill. S (3,2 Mrd. Euro). Die Wirtschaftskammer ist optimistischer und geht in eigenen Berechnungen von weniger als 200 Mill. Euro (2,752 Mrd. S) aus.Negativ-Rekord 1999 Im Verlauf der neunziger Jahre verzeichneten die Gebarungsergebnisse der Krankenkassen ein Auf und Ab. Nach einer noch positiven Bilanz im Jahr 1992 rutschten die Kassen ins Minus, das bis 1992 auf 157 Mill. Euro (2,16 Mrd. S) anwuchs. Sanierungsmaßnahmen brachten eine Trendwende, 1997 konnte ein Plus von 132 Mill. Euro (1,817 Mrd. S) verzeichnet werden. Dann ging es freilich wieder bergab, 1999 kam es zum Negativ-Rekord mit einem Minus von 257 Mill. Euro (3,539 Mrd. S). Prognosen, dass in den Folgejahren Abgänge von mehr als 5 Mrd. S (363 Mill. Euro) drohen könnten, sind dann aber nicht Realität geworden. Ein Voranschlag für das heurige Jahr soll nach Auskunft des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger im Februar vorliegen. Frad will Termindruck für Politik Der Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Herwig Frad, will mehr Tempo bei der Sanierung der Krankenkassen: "Wir müssen es schaffen, der Politik einen Termindruck zu geben", meinte er bei der Gesundheitskonferenz der Wirtschaftskammer am Donnerstagnachmittag. Welche Sanierungsmaßnahmen er sich konkret vorstellt, wollte Frad allerdings nicht sagen, die Bandbreite sei bekannt. Gleichzeitig verlangte der Hauptverbandspräsident ein weiteres Mal verstärkten Druck auf die Ärzteschaft. Er will eine leichtere Lösbarkeit von Kassenverträgen. Ansonsten drehte sich die Diskussion beim Symposium in erster Linie um das Thema Selbstbehalte oder Beitragserhöhungen. Sozialexperte Bernd Marin sprach sich dabei für hohe, aber faire Selbstbehalte aus. Die im Regierungsabkommen festgelegten 20 Prozent sind aus seiner Sicht die "absolute Untergrenze". Seiner Meinung nach könnte man bei einzelnen Selbstbehalten auf bis zu 100 Prozent gehen. Allerdings sei natürlich eine soziale Staffelung von Nöten. Auch plädiert Marin für eine Unterscheidung zwischen Hausarzt-, Facharzt-, Ambulanz- und Notfallsambulanz-Besuch. Steuernde Selbstbehalte Auf gleicher Linie fand sich der oberösterreichische Landesrat Walter Aichinger. Auch er sprach sich für die Einführung gestaffelter Selbstbehalte aus. Diese sollten für alle Gruppen in der Bevölkerung gelten. Ebenfalls als Befürworter von Selbstbehalten präsentierte sich der Generaldirektor der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft, Stefan Vlasich. Er meinte, die in seiner Versicherungsanstalt eingehobenen 20 Prozent Selbstbehalte würden sehr wohl steuernd wirken. Die Vertreter der Arbeitnehmer sahen dies naturgemäß anders. Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse Franz Bittner lehnte Selbstbehalte ab, da sie dem Solidaritätsprinzip widersprechen. Er kritisierte seinerseits, dass von der Regierung keine Maßnahmen zur Gesundung der Kassen gekommen seien. Wörtlich sprach er von einem Stillstand. Auch der Chef der OÖ Gebietskrankenkasse, Helmut Oberchristl, wandte sich gegen Selbstbehalte. Er kann sich eher Beitragserhöhungen in geringem Ausmaß vorstellen. Ein anderer Vorschlag zur Sanierung des Defizits kam von Marin. Er würde in erster Linie weitere Einschnitte bei der beitragsfreien Mitversicherung befürworten. Würde man diese für alle Mütter streichen, deren Kind das dritte Lebensjahr erreicht habe, wären 14,7 Mrd. S (1,068 Mrd. Euro) zu lukrieren, bei Müttern mit Kindern ab dem 7. Lebensjahr immerhin von 12,7 Mrd. S (923 Mill. Euro). Auch wenn man für sozial Bedürftige und über 50-jährige mit geringer finanzieller Ausstattung Ausnahmen mache, käme man noch immer auf Einsparungen von über 10 Mrd. S (727 Mill. Euro) . (APA)