Wien - "Aus lerntechnischen und gesellschaftlichen Gründen ist eine schulische Selektion im frühen Alter kontraproduktiv." Diesen Schluss zieht Rechtschreibreformer Karl Blüml, Abteilungsleiter im Wiener Stadtschulrat, aus der Pisa-Studie. Diese OECD-Bildungsstudie hat nicht Lehrplanstoff überprüft, sondern das abgefragt, was die Schüler für ihr Leben brauchen: Lesen, Rechnen, Naturwissenschaften - basics .

Ergebnis? "Länder wie Finnland und Korea mit einer Art Gesamtschule und späterer Selektion haben im Schnitt deutlich besser abgeschnitten", erklärt Blüml und fordert: "Schulische Selektion soll möglichst spät passieren." Eine Differenzierung der Kinder schon mit zehn Jahren "ist schlicht und einfach zu früh".

Die Studie zeige, dass integrative Schulsysteme es besser schaffen, soziale Herkunft und individuelles Leistungsniveau zu entkoppeln, damit wird die Reproduktion sozialer Ungleichheit gebremst. Kinder aus sozial schwachen Familien könnten in heterogenen Lernverbänden viel besser gefördert werden - ohne Verluste bei den Leistungsspitzen sehr begabter Kinder.

Der Salzburger Landesschulratspräsident Gerhard Schäffer ist gänzlich anderer Meinung. "Schule muss sich heute mehr denn je differenzieren und stärker auf Begabungen ausrichten." Besondere Begabungen und Interessen könnten sehr wohl schon bei Zehnjährigen erkannt werden und müssten dann auch gefördert werden. Denn, so Schäffer: "Kein Staat kann es sich leisten, auf seine Hochbegabten zu verzichten." Sein Credo: "Nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine." Beispielsweise habe sich die Profilbildung an Hauptschulen mit Schwerpunktsetzungen sehr bewährt. (nim, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 1. 2002)