"Passen S' mir mit der Zigarette eh auf", warnt Rudolf Schuh, Chef von Wiens einzigem Sägewerk, während er zwischen den Bergen alter Dachbalken und Bretterhaufen umherstakst. Wie überdimensionale Mikadostäbe liegen die Holzriesen meterhoch aufgetürmt rund um eine kleine Werkstatt. Darin kreischt eine Säge in Topform und frisst sich mit Appetit durch das zum Teil über 100 Jahre alte Holz. Feine Sägespäne flirren wie Nieselregen durch eine Szene wie aus den "Waltons".Vor mehr als 40 Jahren gründete der Vater von Rudolf Schuh Wiens Sägewerk. Das Vorhaben wurde seinerzeit als Holzweg belächelt. Was hat schon ein Sägewerk mitten in der Stadt zu suchen? Heute wird Herr Schuh um das Werk im 23. Bezirk beneidet, denn nur die anderen sahen den Wald vor lauter Häusern nicht. Das Holz, das von den vier Arbeitern der Firma Schuh bearbeitet und verladen wird, hat schon lange keinen Wald mehr gesehen. Manche der Balken ächzten viele Jahrzehnte unter der Last von Hausdächern oder waren in Fassaden eingearbeitet, bevor sie von Abbruchfirmen auf dem Gelände hier in Wiens Süden abgeliefert wurden. Solcherlei Holz wurde früher verheizt oder einfach vergraben. Dabei haben die alten Balken ihren Nachkommen einiges voraus, zum Beispiel die Gelassenheit des Alters. Will heißen, dass es die alten Hölzer gewöhnt sind, Lasten zu tragen und schon lange nicht mehr ächzen und knarren. Auch das Sichverziehen und Aufbäumen ist das ihre nicht mehr. Längst sind sie gezähmt, was vor allem im Falle von gern gesehenen, extra breiten Bodenbrettern einen Vorteil, wenn nicht gar eine Notwendigkeit darstellt, denn, so weiß Rudolf Schuh, "die Spannung in frischem Holz ist enorm". Das Holz von Rudolf Schuh kommt vor allem im Innenausbau zum Tragen, denn bei allen genannten Vorteilen hat das Jungholz dem alten doch eines voraus: Sein Harz, das dem Altholz mit den Jahren verloren ging, schützt die Balken vor einem Fäulnisprozess von innen heraus. 150 bis 200 Lkw rollen pro Jahr voll beladen vom Gelände des Werks in Richtung Westösterreich und Italien. Vor allem die Skigebiete mit ihrer Vorliebe für rustikale Bauernstuben und Hotelbars sind ein guter Absatzmarkt. Aber auch im Möbelbau sind die hölzernen Lastenträger in ihrem einheitlich zartgelben Ton gern gesehen. Das Altholz vom Land sei in seiner Farbe oft sehr unterschiedlich, schließlich gelten im Stall, in der Bauernstube oder der Wetterseite eines Hofes ganz andere Witterungsbedingungen als gut eingebettet in der Zimmerdecke. Was um die Jahrhundertwende in Wien zum Tragen kam, wird von Schuh aber sogar bis in die USA expediert. Einer der Welt größten Weinsammler ließ den Innenausbau seines Weinkellers in Florida mit Altwiener Holz fertigen. Ein Kunde aus dem Napa Valley errichtete ebendort einen Mega-Heurigen mit Burg, deren Gerüst ebenfalls aus Schuhs Holzlager stammt. Mit von der Partie in den Containern nach Übersee waren auch massenhaft Paletten mit den in Mode gekommen Wappenziegeln aus der Zeit der späten Donaumonarchie. Auch diese lässt sich Schuh auf sein Gelände liefern und bietet sie fein säuberlich gestapelt um ca. 1 EURO pro Stück feil. Es ist eine gewiefte Art von Recycling, die das Haus Schuh betreibt. Neuester Coup von Schuh ist das Verarbeiten von Fischhäuten in Textilien, eine Fertigkeit, die als so gut wie verloren galt und die nun in einer von Schuh gegründeten Teichgemeinschaft im Waldviertel wiederbelebt wird.