dieStandard.at: Sie sind seit April 2001 als Steirische Regionalanwältin für Gleichbehandlungsfragen eingesetzt. Rückblickend auf Ihre ersten Monate, hatten Sie sich Ihre Arbeit anders vorgestellt? Lujansky-Lammer: Ich bin von meiner Ausbildung her Psychologin und war vorher 15 Jahre beim Arbeitsmarktservice tätig. Also wirklich überrascht war ich nicht. Ich hab von meinem Fachbereich her schon immer den Schwerpunkt Frauen gehabt und damit die Situation in der Steiermark schon ganz gut gekannt. Der Reiz an dieser Stelle war auch, einmal auf die andere Seite zu gehen. Einmal bereits beschäftigte Frauen zu unterstützen. Wobei ich da jetzt noch dazu sagen muss, dass wir auch für Männer zuständig sind. Es geht bei uns eben um Gleichbehandlung ... Das Neue an unserer Institution ist, dass wir juristische Beratung anbieten. Unsere Arbeit basiert ja auf dem Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft von 1979. Unsere Hauptaufgaben ist die Beratung von diskriminierten Frauen und Männern auf der einen Seite und Öffentlichkeitsarbeit auf der anderen, für alle interessierten Betriebe, Personen, Institutionen. Wir informieren darüber, dass es dieses Gesetz gibt, über seine Grenzen, seine Möglichkeiten. Ebenso leisten wir Aufklärungsarbeit, versuchen zu sensibilisieren und begleiten dann Unternehmen, die Gleichbehandlungsprogramme machen wollen. dieStandard.at: Sie haben erwähnt, dass Sie sowohl für Frauen, als auch für Männer zuständig sind. Wie sieht das aber in der Realität aus, wie ist das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen KlientInnen? Lujansky-Lammer: Es hat sich bestätigt, dass wir vordergründig Anfragen von Frauen haben. Österreichweit waren das ungefähr 90 Prozent und in 43 Prozent der Fälle handelt es sich um Sexuelle Belästigung. Und diese Tendenz ist auch in der Steiermark zu beobachten. Aber man darf auch keinen Fall übersehen, dass die Leute, die zu uns kommen, nur die Spitze des Eisberges sind. Die paar Frauen, die zu uns kommen, spiegeln ganz sicher nicht die tatsächliche Situation, was zum Beispiel Einkommensdiskriminierung betrifft, wieder. Die Frauen schweigen, akzeptieren oder unternehmen nichts, aus welchen Gründen auch immer. dieStandard.at: Es handelt sich dabei aber auch um einen ziemlichen Kraftakt ... Lujansky-Lammer: Genau. Viele Frauen, die bei mir sind, die haben einfach Angst. Die sind gerade in dem Stadium, in dem sie mitgekriegt haben – bleiben wir beim Entgeld – daß der Kollege, so aus der Wahrnehmung heraus, obwohl er eigentlich die gleiche Aufgabe hat, und die gleiche Verantwortung, nicht wirklich eine andere Ausbildung, daß er einfach mehr bekommt. Da ist zuerst einmal die Wahrnehmung und dann kommt die Angst, wie es jetzt wird, wenn sie das dem Arbeitgeber sagt. Und da gibt es schon die Erfahrung, daß das halt nicht so neutral aufgenommen wird. Und gesagt wird: "Prüfen wir das sachlich, es kann ja auch ein Irrtum sein, es kann aber auch berechtigt sein. Es ist ja nicht gesagt, daß wenn ich das wahrnehme, daß das dann ungerecht ist. dieStandard.at: Kommt es auch vor, daß die Frauen dann noch mehr gemobbt werden? Es passiert schon auch, daß dann noch eine Diskriminierung passiert und das dann nicht sachlich behandelt wird und die Frauen als Störerinnen im Betrieb hingestellt werden. Sie haben ja schließlich ein Tabu gebrochen, sie haben über Geld gesprochen, und noch viel schlimmer ist das bei sexueller Belästigung. Ich habe einige Akten liegen, die halt irgendwann mit dem Beratungsgespräch und der Information abgeschlossen sind. Aber das ist auch ganz wichtig bei der Beratung bei mir, daß nichts passiert, das die Frauen nicht möchten. Möglichst genau abzusprechen, was sie sich bei Interventionen erwarten, was passieren kann. Und sie können jederzeit zurückziehen. dieStandard.at: Sie haben gerade vorher erwähnt, daß es sich in ungefähr 40% der Fällen um sexuelle Belästigung handelt. Ist dort die Schwelle höher oder niedriger, sich bei Ihnen zu melden? Lujansky-Lammer: Der Prozentsatz ist steigend, und ich frage mich, ob das nun auf eine größere Anzahl sexueller Belästigung schließen läßt oder auf mehr Mut der Frauen, dagegen etwas zu unternehmen. Ich bin eher der Auffassung, daß sich die Frauen das nicht mehr so gefallen lassen. Außerdem gibt es da auch ein großes Aufklärungsdefizit, was alles zu sexueller Belästigung zählt. Auch Pin-ups gehören schon dazu und es muß nicht zu einer körperlichen massiven Berührung kommen. Auch verbale Äußerungen gehören dazu. Natürlich gilt das nicht bei einmaligem Vorkommen. Aber die Frauen kommen auch meist erst dann zu mir, wenn sie spüren, daß sich das schon körperlich auswirkt, sie beeinflußt in ihrer Leistungsfähigkeit. Was ihnen aber auch oft zum Vorwurf gemacht wird mit dem Argument: “Wieso hast denn nicht schon früher etwas gesagt?” Das hängt schon auch mit den unterschiedlichen Kommunikationsmustern von Frauen und Männern zusammen, daß wenn Frauen “Nein” sagen, daß das nicht gehört wird oder noch als Aufforderung verstanden wird. dieStandard.at: Danke für das Interview. Das Interview führte Elke Murlasits.