Wer nichts wird, wird Wirt - der Volksmund kann ganz schön böse und gemein sein. Jahrzehntelang haben eifrige Kammerfunktionäre versucht, den künftigen Wirten das Leben so schwer wie möglich zu machen. Nur wer die Lehrzeit schadlos überstanden und anschließend zwei Praxisjahre absolviert hatte, durfte Bier oder Wein als sein eigener Herr ausschenken. Bis in die 70er-Jahre hinein gab es außerdem noch Bedarfsprüfungen. Drohte ein neues Lokal einem angestammten Beisl zu viel Kundschaft abzujagen, hieß es schlicht und ergreifend: "Geht nicht." Das ist zum Glück Vergangenheit. In ungewohnt radikaler Weise wollte Tourismusstaatssekretärin Mares Rossmann mit alten Denkmustern aufräumen. Im Zuge der Reform der Gewerbeordnung sollten auch im Tourismus Zugangsbarrieren fallen. Frei nach dem Motto: Ein guter Wirt muss sich nicht fürchten, einem schlechten laufen die Leute sowieso davon. In der Tat ist nicht einzusehen, warum ein kammergeprüfter Wirt Bier besser ausschenken können soll als ein engagierter Mensch, der mit den Leuten "kann" und dem Wirtsein mehr Berufung als Beruf ist. Aus der Totalliberalisierung wird allerdings nichts, einige alte Zöpfe bleiben hängen. Zwar fallen die zum Selbstständigwerden bisher notwendigen Praxisjahre nach der einschlägigen Lehr- oder Schulzeit weg; Quereinsteiger müssen aber immer noch eine Befähigungsprüfung ablegen, damit sie ein Lokal aufsperren dürfen. Wieder einmal hat sich die Kammer als Bremserin erwiesen. Die Begründung, bei einer Totalliberalisierung bleibe die Qualität auf der Strecke, ist an den Haaren herbeigezogen. Sonst würde es nach Jahrzehnten erfolgreicher "Kammeralistik" nicht noch immer heißen: Wer nichts wird, wird Wirt. (DER STANDARD, Printausgabe 24.1.2002)