Kultur
Diagnose: "Konservative Wende in der Kulturpolitik"
SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen zieht Bilanz über zwei Jahre Schwarz-Blau
Wien - Die Bilanz der ersten zwei Jahre der
FPÖ/ÖVP-Regierungskoalition im Kulturbereich zeichnet sich für
SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen "vor allem durch
Budgetkürzungen und erschwerte Rahmenbedingungen für die
Kulturschaffenden Österreichs" aus. Muttonen diagnostizierte bei
einer Pressekonferenz am Freitag eine "konservative Wende in der
Kulturpolitik": Gefördert werde "kulturelles Erbe, Denkmalschutz und
Volkskultur". Dies gehe "zu Lasten der zeitgenössischen, innovativen
und modernen Kunst". Die gesellschaftskritische Funktion von Kunst
sei "unerwünscht", "frei nach dem Motto 'die Hand, die einen füttert,
beißt man nicht'", heißt es in den Unterlagen zur Pressekonferenz."Schweigestaatssekretär"
Für viele Kulturvereine werde die Kürzung der Ermessensausgaben um
drei Prozent, die Finanzminister Karl-Heinz Grasser für 2002
verfügt habe und die sich in einem "vorläufigen Wegfall" von 2,23
Millionen Euro bei Förderungen,
Aufwendungen und Ankäufen niederschlagen werde, "das Aus oder
zumindest den Abbau von Mitarbeitern bedeuten". Weiters komme
Kunststaatssekretär Franz Morak seiner "Koordinierungsfunktion"
nicht nach und setze sich "nicht, wie es seine Aufgabe wäre, für
Kunst und Kultur" ein. "Neben dem Schweigekanzler", meinte Muttonen,
"haben wir jetzt auch einen Schweigestaatssekretär".
Durch den Kulturbericht 2000 "eindeutig belegt" seien die "enormen
Kürzungen", die Morak "zuvor immer in Abrede" gestellt habe. Muttonen
bezifferte diese Kürzungen im Bereich der Film-, Video- und
Medienkunst mit 13 Prozent, beim Bundesbeitrag zum Österreichischen
Filminstitut mit 36,4 Prozent, bei den Kleinbühnen und freien Truppen
mit minus 34 Prozent, bei der Literatur mit minus 9,2 Prozent und bei
den Kulturinitiativen mit minus 13,4 Prozent. Auch bei der
Netzkultur, obwohl diese ein Schwerpunkt sei, habe es Kürzungen um 33
Prozent gegeben, die Förderungen "erfolgen oder unterbleiben völlig
willkürlich".
"Doppeltes Spiel"
Angesichts der "realen Kürzungen bei der Filmförderung" müsse die
Schwerpunktsetzung der Regierung im Bereich Film als "gefährliche
Drohung" aufgefasst werden, so Muttonen. Die Regierung betriebe in
diesem Bereich ein "doppeltes Spiel": Der "ständige Hinweis", die
Filmemacher bräuchten sich "ja nur um EU-Förderungen bemühen,
verschweigt die Tatsache, dass die EU-Förderung an nationale
Kofinanzierung gebunden" sei.
"Etikettenschwindel"
Die Künstlersozialversicherung bezeichnete Muttonen als
"Etikettenschwindel", da es nur einen Zuschuss zur
Pensionsversicherung gebe, aber keine Kranken-, Unfall- und echte
Pensionsversicherung für Künstler. Muttonen kritisierte auch den
"absoluten Tiefststand" bei den operativen Mitteln für die
Auslandskultur. "Negativ-Highlight" sei die Schließung des Pariser
Kulturinstitutes gewesen.
Ein von Muttonen vorgeschlagenes "Notpaket" müsse vor allem die
Rücknahme der erfolgten Budgetkürzungen bringen. Die Forderung nach
einem Krisengipfel für den österreichischen Film wurde erneut
bekräftigt, unter anderem, da dieser Sektor nach EU-Prognosen ein
Wachstumspotenzial von 20 Prozent habe. Muttonen schlug außerdem vor,
einen Teil der Umsatzsteuer auf Kinokarten für die Filmförderung
zweckzuwidmen.
(APA)