Von Ute Woltron
Foto: Kursaal Zentrum innen, San Sebastián, Spanien
© Atelier Moneo
Der jüngste Mies van der Rohe Pavillon Preis, die Auszeichnung der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur, wurde im Vorjahr vergeben, die Ausstellung dazu macht derzeit im Ringturm der Wiener Städtischen Versicherung Halt. Die Schau ist insofern empfehlenswert, als sie anhand von Plänen, Fotos und Modellen ein breites Spektrum europäischen Architekturmachens näher bringt und beweist, wie vielfältig Gebautes sein kann, wenn alle wollen, dass es gut wird. Ausgezeichnet werden deshalb nicht die Architekten, sondern die von der Jury als am besten empfundenen Gebäude. Das macht Sinn, weil ohne die entsprechenden Auftraggeber gute Architektur keine Chance hat. Das Häusermachen ist letztlich ein Prozess, in dem alle Beteiligten, vom Architekten über den Investor bis zum Anrainer und Nutzer, eine entscheidende Rolle zu spielen haben - eine Erkenntnis, die immer wieder zu predigen sich lohnt. Gewonnen hat in diesem Fall also jedes der 37 ausgewählten Häuser und die vielen Leute, die dahinterstehen.
Foto: Kursaal Zentrum außen, San Sebastián, Spanien
© Atelier Moneo
Siegreich war das Kursaal Zentrum im spanischen San Sebastián, vom stillen Architekten Rafael Moneo gekonnt und an prominenter Stelle in Szene gesetzt. Die beiden dynamisch verzogenen, glasumhüllten Blöcke des Stadt-Treffpunktes geben der alten Stadt am Meer ein neues, zeitgenössisch aufgefrischtes Profil. Moneos Kursaal ist nicht nur Haus, sondern auch Umgebung, sprich, die Freiräume und Höfe, die zwischen und um die Blöcke entstanden sind, haben urbanen Pep, der bereitwillig an-und aufgenommen wurde. Sie werden von den skatenden, schlendernden, kaffeetrinkenden Stadtbewohnern offensichtlich auch genutzt, wenn das Zentrum Sperrstunde hat, das stattliche Bauensemble mutiert somit nächtens nicht zur Geisterstadt wie so mancher andere monofunktionale Kollege. Doch auch wer von den zahlreichen hochgejubelten Kulturbauten der vergangenen Jahre die Nase schon ein wenig voll hat, kann in dieser Schau aus dem Vollen schöpfen: Das Nutzungspanorama der präsentierten Projekte ist bunt, scheinbar so schlichte Bauaufgaben wie Lagerhallen und Friedhöfe wurden ebenso lobend hervorgestrichen wie flotte Einfamilienhäuser oder Fußballstadien. Erfreulich auch, dass mit dem Botanischen Garten in Barcelona, geplant von Carlos Ferrater, Bet Figueras und José Luis Canosa, eine vorzügliche Landschaftsplanung ausgezeichnet wurde. Hundert Jahre Hinterhof einer Metropole Was hundert Jahre lang Mistgstätten und Hinterhof einer pulsierenden Metropole war, wurde unter großer kommunaler Anstrengung und mit einer feinen, durchdachten Planung zu einer 14 Hektar großen Freizeit- und Naturvermittlungsoase. Das leicht hügelige Gelände wurde von einem zackigen Wegenetz facettiert, die gestaltende Geometrie ist dabei das Dreieck. In den so entstandenen Zwischenflächen wuchert die Flora Kaliforniens, Chiles, Südafrikas und Australiens. Einen fast absurden Zugang zur Pflanze suchte der Architekt Edouard Fran¸cois im französischen Montpellier. Dort entstand ein unkonventionelles Apartmenthaus, das zwar grundrissmäßig nicht sonderlich aufregend, dafür aber in seiner Ausführung ausgesprochen extravagant ist. Der Franzose hat sowohl formal als auch technisch einigermaßen ungeniert bei diversen Kollegen Anlehnung genommen, was aber vollkommen in Ordnung, ja sogar recht witzig ist: Zum einen stechen aus dem leicht geschwungene Baublock freche Loggienblöcke heraus, wie man sie bei der niederländischen Gruppe MVRDV kennen gelernt hat. Zum anderen übernahm der Architekt die derzeit hochmoderne Idee, fassadenseits Gesteinsbrocken hinter Stahlgittern einzusperren, was die Kollegen Herzog & de Meuron in ihrem Napa-Valley-Weingut wenn schon nicht erfunden, so doch zur Perfektion gebracht haben. Fran¸cois ging allerdings noch einen Schritt weiter und versenkte in den Tiefen der gesamten steinbröckeligen Fassade ein Bewässerungssystem sowie zahllose Säckchen voller Pflanzensamen. Aus dem markanten treppigen Gebilde sollte also in den kommenden Jahren eine rübezahlähnliche Gestalt werden, in der es innen schön kühl sein dürfte. Thema - Umgang mit alter Bausubstanz Ein wichtiges Thema war den Juroren offensichtlich auch der Umgang mit alter Bausubstanz. Hier nur eines der prämierten Beispiele: Seit kurzem führt ein selbstbewusst in den Berg gehauener Pfad von einer tiefer gelegenen, gut versteckten Parkgarage hinauf in die Altstadt von Toledo. Der gesamte Anstieg ist mit der Bequemlichkeit von Rolltreppen ausgestattet und ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit zeitgenössischen Mitteln und ohne denkmalpflegerische Verletzungen in gewachsenen Strukturen hantiert werden kann.
Foto: Lohbach bei Innsbruck © Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle
Übrigens sind auch zwei österreichische Projekte beziehungsweise Architekten unter den ausgewählten Teilnehmern: Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle konnten mit ihrem experimentellen Wohnkomplex am Lohbach bei Innsbruck punkten. Alfred Berger und Tiina Parkkinen zeichneten sich mit ihrem Botschaftsareal für die Nordischen Länder in Berlin aus. Wer die Ausstellung nicht besuchen kann, der hat mittels eines Katalogs (European Union Prize for Contemporary Architecture. Mies van der Rohe Award 2001, Actar, EURO 30,-) die Möglichkeit, alle Projekte eingehend zu studieren. Architektur im Ringturm: Europas beste Bauten 2001, Mies van der Rohe Pavillon Preis, bis 22. 3., Wien, Schottenring 30 LINK: Wiener Städtische (DER STANDARD Printausgabe, Beilage ALBUM, vom 2./3.2.2002)