Nur sechs Wochen vor der Hauptversammlung, die die Wasserkraftwerksehe zwischen Verbund und deutschem Energieriesen E.ON absegnen soll, hat sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel öffentlich für eine große österreichische Stromlösung stark gemacht. Seine Aussagen in der TV-"Pressestunde" waren aber - vielleicht bewusst - so vage formuliert, dass sowohl Verbund als auch Landesgesellschaften des Kanzlers Wort als Bestätigung ihrer Position sehen. Schüssel wollte im Streit über die Folgen des Wasserkraftdeals also nicht Stellung beziehen. Was der Kanzler aber verschweigt: Er selbst hat den E.ON-Deal schon im Juli 2001 zur Chefsache gemacht. Nun versucht er, das Kind wegzulegen. Das kann ein Kanzler tun. Was ein Kanzler indes nicht tun sollte: die Intelligenz der Kenner des seit Jahren tobenden Machtkampfes um die Rolle des Bezirkskaisers in der Regionalliga Ost zu beleidigen. Schuld am Scheitern einer österreichischen Stromlösung ist laut Schüssel der "Kantönligeist" einzelner Unternehmen. Dass das falsch ist, weiß er. Gerade ein Exwirtschaftsminister muss wissen, dass der Eigentümer eines Unternehmens bestimmen kann, wo es langgeht. Und im Strom sind dies der Bund bei der Verbundgesellschaft sowie die Landeshauptleute bei den Landesversorgern. Indirekt gab der Kanzler schon zu, dass er das weiß: Die Firmen seien den Aktionären verantwortlich. Die Mehrheitsaktionäre haben die Vorstände aber schalten und walten lassen, wie es diesen beliebte. Die Strombosse haben 1,6 Milliarden Euro bei Versuchen aus dem Fenster geworfen, einander durch Aktienkäufe zu blockieren. Das ist das Ergebnis, wenn "Kantönligeister" im Wirtschaftsministerium und den Landesregierungen nicht über den Tellerrand schauen. Auf dieses Niveau darf sich ein Kanzler nicht begeben. (DER STANDARD, Printausgabe 5.2.2002)