Wien - Bei aller Hochachtung für die Virtuosität des berühmten Hong Kong Chinese Orchestra unter Yan Hui- chang, der durch das chinesische Neujahrskonzert im Wiener Musikverein führte - aber die Anleihen aus Volksmusik, aufgepeppt zu "Höherem", eben zu asiatischer Klassik für jedermann, wirkten ein wenig wie laut aufgedrehte Tischmusik.

Schade, aber vielleicht gehört dieses Orchester ebenso zum guten Ton wie der Opernball. Es kommen geladene Gäste, Botschafter, Klubfreunde, und man amüsiert sich. Kultur als Geschäft. Kultur als politischer Treffpunkt. Gespielt werden schöne Melodien auf für uns exotisch wirkenden Instrumenten; die Stücke heißen Der große Sieg oder Jahrmarkt im Frühling und klingen alle sehr ähnlich:

Rituelles Spektakel einer ehemals viel aufgeregteren Musiksprache

Jede geisterhaft schwebende Pentatonik ist harmonisch geglättet; jedes Geschrei der Blasinstrumente, das ganze rituelle Spektakel einer ehemals viel aufgeregteren Musiksprache, kommt schnell zur Ruhe. China als Idylle! China als malerisches Bild voller Märchen, in denen Blumen und Insekten sprechen. Leicht verdaulich zieht die musikalische Nachahmung von Natur vorbei, irgendwann ein gewaltiger Trommelwirbel, ein paar dunkle Klänge aus Zeiten des Krieges zu Ehren der "Terracotta-Armee" des ersten Kaisers - das ist alles.

Das Orchester versteht sich blendend auf Klangillusionen, es taucht den Zuhörer in alle Farben Chinas und erzeugt förmlich Filme vor unserem inneren Auge. Flirrende Bienen, lauter Frühlingsträume, Blütenzauber. Trotzdem fragt man sich, wo all die Polyrhythmik, die eigene Klangart der asiatischen Streichinstrumente geblieben sind. Alles klingt nach großem westlichem Symphonieorchester, also etwas geglättet.

Gibt es da nicht aber auch Wiegenlieder in der Provinz Yunnan, die atemberaubend klingen? Gibt es nicht auch die Pekingoper? Hier erklang China light, das Neujahrskonzert zum Jahr des Pferdes. Na, dann Prost!
(macko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.02. 2002)