Doris Krumpl
Wien - Man stelle sich vor, die Schwerkraft ist plötzlich aufgehoben: Autos heben ab, Wassertropfen treiben durch die Luft etc. Einer, der sich das tatsächlich durchdenkt und Szenarios wie eine Art lockerer Wissenschafter in Skizzen festhält, kann ein Künstler sein, oder? In diesem Falle heißt er Manfred Erjautz, der durch solche Überlegungen neue Ansätze eines zeitgemäßen und neuartigen Skulpturenbegriffs herausfiltert - und noch dazu in etwaige Kritik auch den in der Kunst sonst schmählich vernachlässigten Humor einbringt. Bei Erjautz sind Unschärfe und Präzision keine Gegensätze, ebenso wenig banal und existenziell. Er hebt scheinbar Naturgesetze auf, macht die Betrachter entweder kleiner oder größer. Einmal schauen sie auf eine absurde Miniaturszene, dann wieder versetzt er künstlich die Ebenen - wie derzeit in der Secession, der er ihre angestammte "Aura" mit gespielter Nachlässigkeit entzieht. Der 1966 in Graz Geborene verflicht in seiner Installation des Hauptraumes wesentliche Elemente seiner früheren Werkserien (wie etwa das Lego-Gewehr und das Hantieren damit, Logoaufkleber, atmosphärische Korridor-C-Prints auf Aluminium) und lässt den Kunsttempel durchlässig erscheinen, bringt die Außenwelt herein und gibt einen Teil der Kunst nach außen, sichtbar durch den verglasten Hinterausgang: einen Schneemann - eine an sich archaische Figur, die wie eine Sandburg auch Vergänglichkeit suggeriert -, der in seiner Marmorversion in der Gegenwart gefroren ist ( Gefangen in der Gegenwart ). Der Blick nach oben suggeriert in der Secession eine "Bodenfläche" mit den Initialien des Künstlers ( ME ) als Neon-Pseudologo, das leicht ein WE als Schatten auf den Boden wirft und oben als Straßenlaterne durch die Decke weitergeführt wird. Vieles in dieser tiefsinnigen und witzigen Kunst, die zuweilen Elemente von des Künstlers ehemaligem Professor, Bruno Gironcoli, erahnen lässt, erschließt sich auf den zweiten Blick. Erjautz zeigt und entzieht sich gleichzeitig, ohne wiederum ein hermetisch-kryptischer, mit pseudophilosophischem Brimborium umgebener Tüftler zu sein. Obwohl die Arbeiten präzise durchkonstruiert und -dekliniert wurden, lässt er damit vieles offen, im Stadium einer Versuchsanordung. Hier gilt das, was bei seinen Logo-Containern und mit narrativen Firmenlogos, Icons, Markenzeichen übersäten Schaufensterpuppen sofort auffällt: Manfred Erjautz klotzt nicht, aber kleckern tut er schon gar nicht. (DER STANDARD, 13.02.2002)