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jil sander
Seit dem Vorjahr ist der 32-jährige, als Sohn kroatischer Eltern in Paris aufgewachsene Milan Vukmirovic Designchef von Jil Sander. Die Marke war im fernen Jahre 1968 von der Hamburger Modedesignerin Jil Sander ins Leben gerufen worden und entwickelte sich alsbald zum Synonym für klare, schnörkelfreie und hochqualitative Mode; in den 90er-Jahren nannte man das dann minimalistisch. Ab 1997 entwarf Sander auch Herrenmode, zwei Jahre später verkaufte sie die Mehrheit ihrer Stammaktien an die Prada-Gruppe, im Jahr darauf schied die als kompromisslos bekannte Designerin aus dem Unternehmen aus - wie vermutet werden darf nicht zuletzt wegen massiver Meinungsverschiedenheiten mit Prada-Chef Patrizio Bertelli. Die Nachfolge einer derart starken Modepersönlichkeit anzutreten ist für Milan Vukmirovic keine leichte Aufgabe. Er geht sie mit Verständnis für die Essenz der Marke und dem nötigen Willen zur Innovation an. "Man muss die Philosophie, die Basis der Marke respektieren: schöne Materialien, Schnitt, Qualität und Modernität", erklärt er, "Minimalismus ist heute aber einfach nicht mehr zu machen." Denn der sei eine Modeerscheinung der 90er-Jahre gewesen, eine sehr kalte, konzeptuelle Angelegenheit: "Und das hat nichts, das man als Seele bezeichnen könnte, keine Gefühle, keine Emotionen." Die Marke wieder "aufzuwärmen" sei eines seiner Hauptanliegen. "Als ich in dem Unternehmen begann, sagte ich dem Team: Wir können Pelzverbrämungen und Stickereien machen, Prints und Farben, aber wir müssen das auf die Jil-Sander-Art machen." Das müsse keineswegs ein Abgehen vom "wahren" Imageweg bedeuten, betont Vukmirovic, denn "auch Comme des Garçons haben alles gemacht, was sie wollten, von Spitze über Stickerei zu was weiß ich, und es ist trotzdem noch immer Comme des Garçons." Auf der Suche nach der sanften Erneuerung des Jil-Sander-Stils wurde Vukmirovic unter anderem im Firmenarchiv fündig. "Wir haben uns angeschaut, was Jil vor zehn, zwölf Jahren machte: Das war viel femininer als in den letzten Jahren." Und das sei eine Richtung, die ihm persönlich auch viel näher liege, und daher versuche er, dieses Element zurückzubringen. "Es ist ja wirklich lustig", sagt er, "manchmal heißt es: Aber so was haben wir früher nie gemacht - und dabei erinnert sich einfach keiner mehr daran." Eines seiner weiteren Ziele: die Marke wieder in den Modewettbewerb zurückzuführen. "Vor zehn Jahren war Jil Sander sehr wichtig in der Mode, aber in den vergangenen fünf Jahren kamen sehr viele neue Label auf, sehr aggressive Marken wie z.B. Balenciaga, Chloe usw." Der Wettbewerb sei stärker geworden, die Trends schneller - da müsse Jil Sander wieder mithalten können. Bei der Entwicklung des neuen Männerduftes "Jil Sander Sun Men" (das Äquivalent zu dem sich bereits seit 1989 auf dem Markt mit viel Erfolg bewährenden Damenduft wird ab Mai erhältlich sein) kümmerte sich Milan Vukmirovic vorrangig um die Werbekampagne, um die Auswahl des Fotografen und des Models. Der Duft selbst, so erzählt er, war schon fertig, als er ins Unternehmen eintrat. An den zukünftigen Entwicklungen im Duftbereich arbeite er aber natürlich mit. Geplant sind vorerst ein Damenduft im kommenden Jahr und ein großer neuer Duft in zwei oder drei Jahren. Die aktuelle Frühjahrs/Sommerkollektion bezeichnet Vukmirovic als die erste, die komplett aus seiner Hand stammt. Und sie sei von den Einzelhändlern durchaus unterschiedlich aufgenommen worden: "Manche sind sehr aufgeregt und verkaufen sie sehr gut, andere sagen, sie hätten damit Kunden zurückgewonnen, die sie verloren hatten." Aber natürlich gebe es genauso Händler, die die Veränderung nicht mitmachen wollten - so sei das eben in Zeiten des Übergangs. Vor allem in Japan aber seien die Zahlen ganz unglaublich, die Kollektion verkaufe sich ausgezeichnet. Einer Diversifikation des Labels steht Vukmirovic eher skeptisch gegenüber. "Ich glaube nicht wirklich an Modemarken, die alles machen." Demnächst werde es aber Jil-Sander-Schmuck geben, jedoch keine komplette Kollektion, sondern auf Langlebigkeit ausgerichtete Stücke. Pro Saison werde nur ein Modell produziert, in bester Qualität, versteht sich, denn die Marke habe hochklassige Kunden wie Architekten oder Designer: "Leute, die Qualität wirklich lieben, denen muss man etwas Gutes bieten." An Uhren werde vorerst nicht gedacht. "Uhren in der Mode schrecken mich noch mehr als Schmuck", äußert Vukmirovic seine Bedenken. Es sei sehr schwierig, echte Qualität herzustellen, die Konsumenten vertrauten in diesem Business eher Marken mit Tradition. Milan Vukmirovic sagt von sich selbst, dass er gerne für ein Produkt von A bis Z verantwortlich ist. "Ich kümmere mich z.B. auch um die Shops, um die Auslagen, um die Werbung - das ganze Konzept eben: Wenn man eine so große Marke hat, muss das Image koordiniert werden." Wobei sich natürlich schnell die Frage stellt: Was ist Jil Sander? Und vor allem, was ist Jil Sander heute? Vukmirovic gehört nicht zu den Nostalgikern. Er schätze sehr, was früher gemacht wurde, aber man müsse vorsichtig sein, man könne die Vergangenheit nicht kopieren. "Das waren wunderschöne Kampagnen, die will ich lieber unberührt lassen." Er werde nie Jil Sander sein, "daher ist es besser, Veränderungen herbeizuführen." Die Werbekampagne für die neue Kollektion sei durchaus als Statement zu verstehen: "Das soll den Leuten sagen: Ok, das ist jetzt die neue Jil Sander." Die Gerüchte, die im vergangenen Herbst aufgekommen waren - nämlich dass Prada-Boss Bertelli an einen Verkauf einiger Marken, darunter auch Jil Sander denke - machen Vukmirovic so oder so wenig Sorgen. "Ich habe im Dezember Bertelli getroffen, und er hat mir gesagt, dass er mich weiterhin unterstützt, dass er an mich glaubt und nicht daran denkt, Jil Sander zu verkaufen." Die Unterstützung sei also da, schließlich sei Jil Sander eine der Lieblingsmarken Bertellis, aber - so Vukmirovic realistisch - es sei nun mal Bertellis Unternehmen, und der könne verkaufen, wann er wolle, ob morgen oder erst in zehn Jahren. "Es gibt keine Garantien, aber so ist das Leben." In der Zwischenzeit, so versichert er, werde er seinen Job so gut machen, wie er könne. derStandard/rondo/15/2/02