Wie Waits ist auch Weiss ein instinktsicherer und talentierter Bewahrer amerikanischer Traditionsmusik im Einzugsgebiet des Blues, ohne deshalb musealen Mief zu verbreiten wie, sagen wir, der "Claptomane" Eric Clapton. 1999 veröffentlichte der Mann mit dem exzentrischen Sehbehelf das Album Extremely Cool, das sich am Waitschen Spätwerk orientierte, jedoch mehr mit den Muskeln spielte und sich ruralem Blues eher verbunden zeigte als dem Image des versoffenen Bar-Pianisten. Denn: Ein Wirt, der selber sein bester Gast ist, hat bekanntlich ein Problem . . . oder zwei.
Auf der nun vorliegenden CD Old Souls & Wolf Tickets begibt sich Weiss musikalisch ins Mississippi-Delta und klaubt sich aus den dort angespülten Versatzstücken sein Album zusammen. Jazzige Trauerkapellen-Bläser schleppen sich mühsam Richtung ausgehobener Grube, während ein Organist unter Einfluss kaum seine fiebrigen Finger unter Kontrolle halten kann. Schwindsüchtiger Akustik-Blues legt sich größenwahnsinnig mit Boogie Woogie und angestochenen Voodoo-Trommeln an. Professor Longhair lässt schön grüßen!
Wenn Weiss also von einem "Sneaky Jesus" greint, dreht es sich weniger um einen Erlöser, sondern vielmehr um eine Barfliege auf Mission: "Noch eine Runde!" Aussöhnung findet schließlich bei fetten Orgelschüben statt. Das Ganze präsentiert der Weiss mit breitem Grinsen. Pure Lebensfreude spricht aus seinem Album. Ob mit Quietsch-Stimme oder tiefem Blues-Timbre, ob mit gebrochenem Herzen oder als angeberischer Autobesitzer, der singende Wirt liebt seine Gäste - und sie ihn.
(Karl Fluch im RONDO/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.02. 2002)
Chuck E. Weiss: Old Souls & Wolf Tickets (Zomba)